Acta Universitatis Lodziensis. Folia Germanica, 17, 2023
https://doi.org/10.18778/1427-9665.17.05

Marcin Gołaszewski*

Orcidhttps://orcid.org/0000-0001-5635-3612

DAS FEUILLETON IM VERSTÄNDNIS JOSEPH ROTHS, SEINE ENTWICKLUNGSPHASEN SOWIE DIE ZUSAMMENARBEIT ROTHS MIT DER EXILPRESSE


JOSEPH ROTHS FEUILLETONS IN HIS UNDERSTANDING, IT’S DEVELOPMENT PHASES AND ROTHS COOPERATION WIT THE EXILE PRESS


(Summary)

Joseph Roth (1984–1939) belonged to a generation that was affected by two world wars, the collapse oft the old world order, emerging nationalism and forced emigration. Columns, journalistic activity and literary works were an expressions of growing frustration, escape from the world, resignation and one’s own helplessness. The columns are a perfect mirror of the changes that have occured in the writer over the decades. At the same time, they became an expression of emotions and experiences and manifested them in various forms and styles of artistic expression. The definition of the feature section, in the sense Joseph Roth understands, stylistic influences on his work and its characteristic features, cooperation with the exile press are the components of the article understood as an attempt to outline the general characteristics of the genre in the author’s work.

Keywords: feuilleton, The 3rd Reich, Emigration, Joseph Roth


Joseph Roth gehört zweifelsohne zu den bekanntesten Schriftstellern und Journalisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist sein journalistisches Erbe erstmal in Vergessenheit geraten, wurde aber seit den 1970er Jahren mehr und mehr zum Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchungen (vgl. Hackert 1967; Sültemeyer 1976; Westermann 1987).

Vor der Machtergreifung Hitlers sind es vor allem die Alltagsprobleme des einfachen Mannes, die sich in seinen Texten widerspiegeln. Die Texte kreisen aber im Laufe der Jahre immer stärker um weltbewegende politische Angelegenheiten. Die Lebensrealität in den Großstädten Wien, Berlin und Paris beschreibt Roth akribisch auf seinen Reporterreisen (vgl. Sternburg 2009, S. 36–37).[1] Nicht selten sind es aber auch Provinzstädte und ihre Bevölkerung, die in seinen Texten – Berichten und Glossen – dokumentiert werden:

Ich habe die Arbeiter des Ruhrgebiets in ihren freien und (arbeitslosen) Stunden gesehn. … Nicht ihre Not, von der ich gewußt und die ich vorausgesetzt hatte, war erschütternd, sondern ihre Anspruchslosigkeit (Roth 1975, S. 552).

Das Jahr 1933 – die Machtergreifung Hitlers – bedeutet eine Zäsur – auch und vor allem in seinem Schaffen –, die nicht zu unterschätzen, sondern viel mehr zu beachten ist, denn die ist ausschlaggebend für seine schriftstellerische, genauso wie seine menschliche Existenz.

Im Mittelpunkt des Artikels steht eine Untersuchung des Feuilletons Joseph Roths im Exil unter dem Aspekt der Definition des Feuilletons sowie seiner stilistischen Besonderheit und Vielfalt. In seinen Feuilletons und Briefen beschreibt er nämlich, wie sich das Exil und das Leben in der fremden Kultur auf seine persönliche Entwicklung in der Zeit von 1933–1939 ausgewirkt haben. Der Autor des Beitrags konzentriert sich auf die Entwicklungsphasen des Exil-Feuilletons und zeigt Joseph Roths Zusammenarbeit mit der Exilpresse.

Die Distanz Joseph Roths zu Deutschland setzt schon in der Zeit der Weimarer Republik ein, und dies trotz seiner Mitwirkung an Münchner Neuesten Nachrichten (vgl. Sternburg 2009, S. 346–357) in den Jahren 1929–1930.[2] Aber nachdem sich die nationalsozialistische Politik durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durchsetzte, gehört das Exil, die Fremde, zu einem zentralen Teil seines Lebens und somit zum Alltag des Schriftstellers, was sich wiederum in seinen Feuilletons widerspiegelt und in verschiedenen Formen zum Ausdruck kommt. Sein nationaler Status als Österreicher und sein konfessioneller Status als Jude erhalten eine neue Bedeutung.

Joseph Roth ist als Jude von der Rassengesetzgebung des Dritten Reiches betroffen. Außerdem stehen seine Bücher auf den Schwarzen Listen der Nationalsozialisten. Er gehört dadurch der jüdischen Massenemigration wie auch der politischen Emigration an. Durch seine publizistische Tätigkeit gegen das Dritte Reich und seine politische Weltanschauung wird er auch zu den Vertretern der politischen Emigration gezählt.

Doch Joseph Roth bestreitet in Emigration das Faktum, politischer Flüchtling zu sein (Roth 1976, S. 654). Er versucht sich auszugrenzen und sagt: „Als unverdient empfinde ich diese Ehre deshalb, weil ich im politischen Sinn kein Emigrant bin“ (ebd., S. 654). Außerdem hat er sich bis 1938 nicht heimatlos gefühlt, denn seine erste Heimat sei Österreich, wie er Karl Toller in Die Juden und die Nibelungen (Roth 1976, S. 621–629) versichert. Demnach vertritt er seine Position nicht konsequent, wie ein Fragebogen an die American Guild of German Cultural Freedom[3] zeigt. Dieser Fragebogen veranschaulicht Roths innere Ablehnung, die Ausreise aus Deutschland mit der jüdischen Herkunft zu begründen. Er schreibt selbst in Berliner Saisonbericht (Roth 1984, S. 379–380) dazu.

Im Ausstellungskatalog der Deutschen Bibliothek[4] aus dem Jahr 1979 unter dem Titel: Joseph Roth 1894–1939 kann man folgendes lesen:

Gehört zur deutschen Emigration auf Grund seiner Überzeugung als Katholik und österreichischer Legitimist. War nicht verbrannt und nicht verboten und hat selbst durch einen gegen Hitler gerichteten Artikel ‚Ich verzichte‘ sein Verbot in Deutschland durchgesetzt.

In Wirklichkeit erscheint jedoch sein Name unter den ersten 131 Autoren der Schwarzen Liste vom nationalsozialistischen Buchhändler Wolfgang Hermann im Börsenblatt des deutschen Buchhandels.

In der Rezension Niederlage an die Gerechtigkeit, über den neuen Roman „Der Gerechte“ von Hermann Kesten (Roth 1976, S. 422–423) aus dem Jahr 1934 bezeichnet Roth den Autor als „einen Exilierten wie wir alle“ (ebd., S. 422).

Sein journalistisches Werk dieser Zeit weist eine breite thematische Spannweite auf (mehr dazu: Gołaszewski 2015, S. 40–65): Als Journalist setzt er sich im Exil mit dem Nationalsozialismus in Deutschland auseinander, aber beschreibt ebenso seine Alltagsprobleme als Emigrant, die er mit vielen anderen teilt. Sein Denken und Verhalten werden durch seinen Freundeskreis geprägt, den er sich in den Cafés und Hotels vieler europäischer Großstädte schafft.

„Roth war sehr gerne ein Journalist“ – mit diesen Worten beschreibt ihn sein langjähriger Kollege, Soma Morgenstern und fügt hinzu:

Es gibt, und es gab schon immer, Schriftsteller, die sich ihrer journalistischen Vergangenheit schämten. Nicht so Roth. Er war stolz darauf. Und er ging soweit, bis in die letzte Zeit seines Lebens mir immer wieder zu wiederholen, daß er unter Journalisten bei weitem sympathischere, anständigere, ja ehrenwertere Männer gefunden hat als unter Schriftstellern (Morgenstern 1994, S. 26).

1. Die Entwicklungsphasen des Exil-Feuilletons

Joseph Roths Feuilleton beeindruckt in der Spätphase seines Lebens ebenso wie in den früheren Jahren durch seine Vielfältigkeit und Buntheit. Roth beobachtet und beschreibt für seinen Leser, so dass die Prosa noch heute durch Anschaulichkeit und Exaktheit der Darstellung verblüfft (Reich-Ranicki 1968, S. 18). Roth widmet sich im Feuilleton 1933 zunehmend dem journalistischen Kampf gegen das nationalsozialistische Regime.

Ein Jahr später sagt Roth im Unerbittlichen Kampf seinen Lesern, „daß der Dichter so wenig wie jeder andere ein Recht hat, keine Stellung zu nehmen zu der Unmenschlichkeit der Welt von heute, […] Talent und Genie befreien keineswegs von der selbstverständlichen Pflicht, das Böse zu bekämpfen“ (Roth 1976, S. 287). Seine Feuilletons reagieren 1934 auf wichtige politische Ereignisse im NS-Deutschland oder in Österreich. Sie befassen sich mit der Judenpolitik und Buchrezensionen zu neuen Veröffentlichungen.

1935 behandeln die meisten Feuilletons die österreichische Politik. Den Mord an Dollfuß thematisiert er in Vision (Roth 1976, S. 722–726), seine Erinnerung an den alten Kaiser beschreibt er In der Kapuzinergruft (Roth 1976, S. 719–720). Im gleichen Jahr publiziert Roth außerdem seinen Roman Die Büste des Kaisers im Pariser Tageblatt. Zwischen dem 17. Oktober 1935 und dem 17. Oktober 1936 veröffentlicht Joseph Roth keine Feuilletons.

Die Pause erscheint der Redaktion des Neuen Tagebuchs ungerechtfertigt lang. Auf diesen Vorwurf antwortet der Journalist mit dem Feuilleton in Briefform (vgl. Haacke 1976, S. 146–151) Statt eines Artikels (Roth 1976, S. 629–632). Polemisch bemerkt er:

Ich beuge mich vor dem Edelmut, der sich in Resolutionen äußert, in Protesttelegrammen, in der Teilnahme an Kongressen, auf denen die Güter der Menschheit verteidigt werden, in Pamphleten die Europas Führer und Feinde zu demaskieren suchen, in Artikeln, Kritiken und Glossen, in denen sich ein Achtung heischender, elanvoller Glaube an den berühmten ‚Rest des europäischen Gewissens‘ täglich äußert (Roth 1976, S. 629).

Seine Kampfstimmung der ersten Jahre scheint verflogen zu sein, und seine pessimistische apokalyptische Vision der Zukunft veranlasst ihn zur Aussage:

Niemals sind die zur Vergewaltigung Auserkorenen so leutselig den Vergewaltigern entgegengekommen! Niemals hat es einen so großen Andrang des Schlachtviehs zu den Opferstätten gegeben! Wohlverwahrt, unauffindbar ruht der ‚Rest des europäischen Gewissens‘ wahrscheinlich bei den Sieben Weisen Europas (Roth 1976, S. 630).

Seine Kritik an der Neutralitätspolitik der europäischen Länder, seine Enttäuschung über die Konkordate der Kirche mit dem Dritten Reich, die er mit aggressivem Ton ausdrückt, zeigen seine intensive Beobachtungsgabe der aktuellen Politik. Die letzten Worte dieses Feuilletons lauten zwar „in trauriger Resignation“ (ebd., S. 632), leiten für den Journalisten jedoch eine Periode von großem Engagement bis in den März 1938 ein. In dieser Periode des Exils bringt der Autor zahlreiche Feuilletons mit verschiedensten Themen hervor.[5]

Offensichtlich beschäftigt sich Roth intensiv mit der biblischen Vorlage des Babylonischen Exils, wie er in Juden, Judenstaat und die Katholiken (Roth 1976, S. 412–418) zeigt. Der Vortrag Aberglaube an den Fortschritt vom 12. Juni 1936 gibt Roths religiöse Einstellung zum Leben preis. In der Vorrede zur Neuauflage Die Juden auf Wanderschaft schreibt Roth:

Es ist schlimmer als die Babylonische Gefangenschaft. An den Ufern der Spree, der Elbe, des Mains, des Rheins und der Donau darf man nicht nur nicht baden, sondern auch nicht sitzen und weinen; höchstens im ‚Kulturbund‘, dem staatlich erlaubten geistigen Zentrum des neuen Gettos (Roth 1976, S. 364).

Andere Themen sind wiederum die österreichische Monarchie, die Aufgabe der Verleger oder das alltägliche Leben des Schriftstellers.

Die letzte Phase des Feuilletons spiegelt seine traurige Resignation und Todesahnung nach dem österreichischen Anschluss an das Deutsche Reich wieder. Er ist ein Redner auf Kundgebungen gegen die Annexion und verfasst 1938 die meisten Feuilletons innerhalb der ‚Kleinen Form‘. Sie enthalten zwar indirekt politische Aussagekraft, andererseits beweisen sie jedoch seine starke Ausdrucksfähigkeit. Künstlerisch und ästhetisch sind gerade diese Artikel besonders wertvoll. Roth überzeugt mit präzisen Formulierungen im Feuilleton Die Kinder der Verbannten, in dem Kinder in der Emigration (Roth 1976, S. 175–181) die Rolle des Erwachsenen übernehmen. Im Bistro nach Mitternacht (ebd., S. 178–181) erklärt der sogenannte ‚kleine Bürger‘ Weisheiten, die von Politikern längst nicht mehr zu erwarten sind. Seine persönliche Betroffenheit über den Abriss seines Hotels Foyot verarbeitet er journalistisch in Rast angesichts der Zerstörung (ebd., S. 884–886). Aus der alltäglichen Trivialität entsteht das Besondere und das Einmalige. Er sieht und beobachtet den Augenblick und verfasst so den Augenzeugenbericht. Das bittere Brot (ebd., S. 886–889) und Alte Kosaken (ebd., S. 892–893) oder Frauen vor dem Schaufenster (ebd., S. 445–447) sowie Der unbekannte Clown von Barcelona (ebd., S. 447–448) erzählen von Ereignissen und Nöten der Emigranten. Das Kämpferische ist der Resignation gewichen, die in Wortwahl und Metaphern des Regens[6] (Roth 1984, S. 448–449) zutage tritt.

2. Feuilleton – Begriffsbestimmung[7]

Mit Feuilleton kann einerseits der Teilbereich jeder Zeitungsredaktion gemeint sein, andererseits bezeichnet der Begriff eine journalistische Kunstform (Dovifat 1969, S. 236). Letzteres beschäftigt sich mit zahlreichen Themen, die mit dem Gesellschaftsleben zusammenhängen, Alltagsproblemen, „Betrachtungen des kulturpolitischen Bereichs, Reisen oder belletristischen Beiträgen“ (Gołaszewski 2016, S. 241). Darüber hinaus ist es eine Prosaform, die durch „leichtverständlichen, witzigen, durchaus persönlichen, subjektiven Plauderton“ (Wilpert 1979, S. 270) charakterisiert wird. Eine Definition des Feuilletons hat keine Gültigkeitsdauer, sodass sie sich im Laufe der Zeit immer wieder durch Geschmacksumwandlungen veränderte (Haacke 1952, S. 313). Gerade in dieser Sparte, die sich auch durch unterhaltende und belehrende Merkmale auszeichnet (Dovifat 1969, S. 293), hat Joseph Roth zwischen 1933 und 1939 für die Exilanten geschrieben (vgl. Gołaszewski 2016, S. 241).

3. Das Feuilleton in der Exilkultur – Rückblick

Die Tradition des Feuilletons, der beliebtesten Gattung der 1920er Jahre, wird in den Exilkreisen weiter gepflegt. Diese publizistische Kleinform gehört zu den wichtigsten journalistischen Darstellungsformen der Exilpublizistik.

Ende der 1920er Jahre setzt sich Karl Jaspers mit der Presse auseinander und konstatiert, dass diese „sich immer mehr in den Dienst politischer und ökonomischer Mächte“ (Jaspers 1933, S. 111) stellen müsse, um leben zu können. Im Fall von „Joseph Roth beginnt während des Exils seine Arbeit für die Tagespresse, mit jener des Schriftstellers in Konkurrenz zu treten. Dieses allgemeine zeitgenössische Phänomen erklärt Michael Winkler damit, dass die Tagespresse nicht nur Meinungen vorformuliere, sondern dem Schriftsteller auch Themen und Motive wegnehme“:

Daher überrascht die Beobachtung nicht, daß fast alle Autoren von Zeitromanen im Unterschied zur expressionistischen Dichtergeneration ihren Lebensunterhalt als Journalisten verdienten, daher mit der Arbeitsweise der Tageszeitungen aus persönlicher Erfahrung vertraut waren und diese auch mehr oder weniger in ihre Romanproduktion übernahmen (Winkler 1982, S. 363).

Im Interessenzentrum des Feuilletons stehen alltägliche Probleme. Daher wendet sich diese journalistische Kurzform nicht in erster Linie an die Intelligenzkreise, sondern sucht ihre Leser unter einfachen Menschen. Deswegen ist für den Journalismus genauso wie für den Zeitroman der gleiche Lesermarkt charakteristisch.

Die Nationalsozialisten verboten am 28. November 1936 die Verwendung das Begriffs ,Feuilleton‘ und haben stattdessen das Wort ‚Kunstbetrachtung‘ eingeführt (Wulf 1964, S. 197; vgl. auch Wulf 1963, S. 270).

Sie begründeten diese Sprachregelung mit dem Argument der jüdischen Kunstüberfremdung in der deutschen Kultur. Die antisemitischen Vorwürfe des jüdischen „Formalismus, Psychologismus und Pazifismus“ (Kwiet 1985, S. 47) setzten die nationalsozialistischen Machthaber in der Literaturpolitik um. Es zeigte sich darin, dass die Kritik an ästhetischen, psychologischen und politischen Standpunkten der deutsch-jüdischen Literaturkritik und Literatur durch geschickte Propaganda an die breite Öffentlichkeit getragen wurde. In Bezug auf die Situation im 3. Reich bestätigt Hans Dieter Schäfer:

Das Feuilleton verlor in der Tat seine zarte Aggressivität und Objektnähe; die aufdeckende Empirie, in den Arbeiten von Kracauer, Bloch, Benjamin und Roth bestechend vorhanden, verflüchtigte sich zugunsten harmloser, teils humorvoller Betrachtungen (Schäfer 1976, S. 459).

4. Die Berichterstattung in der Exilkultur

Roth bezieht „in seinen Feuilletons und Briefen Stellung zum Berufsfeld des Journalisten und des Schriftstellers“ (Gołaszewski 2016, S. 244). Karl Jaspers äußert sich über die Presse, indem er ihr wichtige Funktionen zuschreibt, sie sei zu einem Stand mit eigenem Ethos, der faktisch die geistige Weltherrschaft ausübe (vgl. Jaspers 1933, S. 112), geworden (Gołaszewski 2016, S. 244):

Ohne Presse kann diese Welt nicht leben. Was aus ihr wird, liegt nicht allein bei dem Leser und den faktischen Mächten, sondern an dem ursprünglichen Willen der Menschen, die durch ihr geistiges Tun den Stand prägen (Jaspers 1933, S. 112).

Joseph Roth hat moralische Axiome der Journalisten verinnerlicht und rechtfertigt deswegen das Dilemma der Berichterstattung nach der Gründung und Etablierung des NS-Systems (vgl. Gołaszewski 2016, S. 244). Er schreibt:

Auch Journalisten sind Kinder ihrer Zeit. Es ist eine Illusion, daß die Welt eine richtige Vorstellung vom Dritten Reich habe. Der Berichterstatter, der auf Tatsachen zu schwören hat, beugt sich vor dem Fait accompli andächtig wie vor einem Götzen […] (Roth 1976, S. 617).

Roth kritisiert in seinen Ausführungen die Berichterstattung der europäischen Länder, die jedoch nicht alleine die Schuld an den verworrenen Informationsverhältnissen trägt. In Das Dritte Reich Filiale der Hölle (1934) heißt es:

Denn man weiß, daß die Aufgabe der deutschen Presse darin besteht, nicht Tatsachen zu veröffentlichen, sondern sie zu verheimlichen; Lügen nicht nur zu verbreiten, sondern auch zu suggerieren (ebd., S. 616–617).

Roth ist so stark für den Kampf um die Wahrheit engagiert, daß dieses Thema in vielen seiner Feuilletons thematisiert wird. Ihm scheint es, „als sprächen die Zeitungen hinter den Kulissen, um Vorgänge zu kommentieren, die unsichtbar sind“ (Roth 1984, S. 442) und kurz vor seinem Tod erklärt er in Die Eiche Goethes in Buchenwald:

Der Wahrheit die Ehre! Man verbreitet falsche Nachrichten über das Konzentrationslager-Buchenwald; man möchte sagen: Gräuelmärchen. Es ist, scheint mir an der Zeit, diese auf das rechte Maß zu reduzieren (ebd., S. 704–705).

Der Schriftsteller und Journalist „verfällt nicht in Schweigen, er wehrt sich bis zu seinem Tod öffentlich gegen die Verbreitung von Unwahrheiten. Die Wahrheit, in ihrer moralischen Bedeutung, könnte er in einer idealen Zeitung schreiben“ (Gołaszewski 2016, S. 245). Seine Aussage in Statt eines Artikels (1936) dokumentieren, dass er in einer idealen Zeitung:

[e]inen Roßtäuscher einen Roßtäuscher nennen, einen Minister einen Lautsprecher, die Niederlage des Proletariats eine Niederlage, die Demokratien Vorwände für Mangel an Vernunft, den Völkerbund eine Versammlung, in der seit ihrer Gründung der überflüssige Selbstmord eines jüdischen Journalisten das bedeutendste Ereignis war, die Monarchie der Habsburger in Österreich die sichere Niederlage der borrussischen Dritten-Reichs-Ideologie, die Konkordatspolitik des Vatikans ein Unheil (Roth 1976, S. 631).

Roth behauptet zusätzlich, dass jeder Mensch, der die Wahrheit über Deutschland erfahren möchte, moralisch verpflichtet sei, Zeitungen zu lesen, die im Dritten Reich verboten sind. „Und die Wahrheit schreiben, […] können nur jene Korrespondenten, die von Goebbels angewiesen sind“ (ebd., S. 674), fügt er polemisch hinzu.

In Die vertriebene deutsche Literatur (1937) formuliert Roth ein Appell an die Macht des Wortes:

Wir müßen uns eingestehen, daß unsere einzige Waffe das Wort ist. Es ist eine mächtige, gefährliche und sogar magische Waffe, aber sie ist weder scharf, noch direkt (ebd., S. 404).

Diese Formulierungen greifen auch auf die biblische Bedeutung von ‚Logos‘ zurück, „das gleichbedeutend mit dem Begriff ‚Wahrheit‘ verwendet wird“ (Gołaszewski 2016, S. 246).

Wenn er an die Wirkung der politischen Publizistik denkt, erscheint sie ihm verhältnismäßig klein im Vergleich zu den „Kanonen von Krupp, den Giftgasen der Leuna-Werke, den Flugzeugen von Göring, den Konzentrationslagern, der Geheimpolizei, der Unfreundlichkeit der Länder, in denen man den deutschen Literaten zwar Gastrecht gewährt, aber in ihnen nur geduldete Ausländer sieht – den allen gegenüber sind wir nur ‚arme Schriftsteller‘ (Roth 1976, S. 404).

Im Jahre 1938 hat Joseph Roth seinen Lesern erklärt, „die Epidemie der Sprachverdrehung und Sprachlähmung“ (ebd., S. 321) hat zuerst nur ein Land befallen und danach „alle Grenzen überwunden“ (Roth 1976, S. 321). Mag der Schriftsteller auch sehr pessimistisch sein, behält er sich trotzdem die Hoffnung, die in Das Unsagbare zum Ausdruck kommt:

Man muß schreiben, gerade dann, wenn man nicht mehr glaubt, durch das gedruckte Wort etwas bessern zu können […]. Den Skeptikern, um nicht zu sagen: den Verzweifelten, fällt es schwer, und deshalb sollte ihr Wort wichtiger sein (ebd., S. 687).

Joseph Roth kann zwar nicht zu den Optimisten zugerechnet werden, trotzdem sieht er seine Aufgabe darin, dazu aufzurufen, mit Literatur oder Feuilleton gegen das NS-Regime anzugehen.

In zwei weiteren im Dezember 1938 veröffentlichten Feuilletons bringt Joseph Roth Veränderungen im Pressewesen zum Ausdruck. Scheinbar reagiert er auf die historischen Ereignisse wie das Münchner Abkommen, die „Reichskristallnacht“ und den offiziellen Besuch des deutschen Außenministers Ribbentrop in Paris. Roth muss sich wohl darüber empört haben, aber er äußert die Kritik über die europäische Politik nur andeutungsweise. Sein Leser muss die politischen Verhältnisse relativ genau verfolgt haben, um seine Kritik nicht nur zu verstehen, sondern sie überhaupt herauszulesen. Der Journalist vermisst die guten, alten Zeiten – und damit meint er nicht die Jahre vor 1933, sondern nur einige Monate (vgl. Roth 1976, hier S. 682) vorher – „als er sich noch auf ausgelassene Mitteilungen zwischen den Zeilen[8] verlassen konnte“ (Gołaszewski 2016, S. 247):

Nun aber ist die journalistische Technik so weit fortgeschritten, daß der Berichterstatter noch mehr lügt, wenn er schweigt, als wenn er mitteilt. Und man erkennt, daß diese Welt von lauter Propagandaministern geleitet wird […] (Roth 1976, S. 682–683).

Das Berufsethos des Journalisten hat sich gravierend geändert, und zwar nach der Etablierung des NS-Systems wurden ihm andere Schwerpunkte beigemessen, die „schalen“ (ebd., S. 682) Zeitungen verbreiten einen „Aktualitätenbrei der Tagespolitik“ (ebd., S. 683).

5. Joseph Roths Zusammenarbeit mit der Exilpresse

In Paris sind die wichtigsten Exilzeitschriften erschienen, bei denen Joseph Roth seine Feuilletons veröffentlichte. Die Exilpresse benutzt Roth einerseits als Sprachrohr seines publizistischen Kampfes und andererseits als Beitrag zur Finanzierung in seiner materiellen Not.

Diese Presse ist ein Spiegel vielfacher Interessengruppen der Weimarer Republik, so dass sich die Zeitungen nicht als „geistig-politische Einheit“ (Koszyk 1981, S. 52) präsentieren. Der journalistische Anspruch verfälschte Nachrichten aus Nazi-Deutschland richtig zu stellen, konnte die Exilpresse nur teilweise erfüllen. Joseph Roth profitiert bei seinen Recherchen von der präzisen Beobachtungsgabe, seinen Erlebnissen mit Behörden und seinen Erfahrungen der Arbeit für Hilfsorganisationen.

Roth arbeitete für 16 Zeitungen und Zeitschriften. Von 1933 bis 1939 schreibt er permanent für Das Neue Tagebuch, dabei entstehen 39 Artikel. Herausgeber der Zeitung ist Leopold Schwarzschild, der über seine Zeitung ein eigenes wirtschaftspolitisches Konzept verbreitet hat. Drei Monate nach der Flucht aus dem Deutschen Reich brachte Schwarzschild die erste Nummer der Wochenzeitung als Nachfolgepublikation des Tagebuches heraus (Walter 1966, S. 549). Die Leserschaft ging weit über den Kreis der deutschen Exilanten hinaus, ihr gehörten auch Kreise der Diplomaten und der Parlamentarier, der Wirtschaft und des Militärs aller europäischen Länder an (ebd., S. 551). Hans Albert Walter lobt Schwarzschilds journalistische Recherchen, seine Materialbeschaffung sei ein Musterbeispiel der journalistischen Nüchternheit gewesen, so dass das Neue Tagebuch weder in der Analyse des Faktischen noch in der Einschätzung der Gesamtsituation, geirrt habe (ebd., S. 552). Wie Ruth Fabian und Corinna Coulmas beschreiben, warnt das Blatt „ebenso unermüdlich wie erfolglos vor der Appeasementpolitik der Weltmächte“ (Fabian 1978, S. 60). Die letzte Ausgabe erscheint am 11. Mai 1940. Da diese Zeitung keiner programmatischen Zielsetzung folgte, war sie für Joseph Roth besonders attraktiv. Die meisten Feuilletons publiziert er 1938 im Neuen Tagebuch; in seinem Todesjahr erscheinen dort nur noch zwei Veröffentlichungen. Er konzentriert sich 1939 auf seine Arbeit bei der Pariser Tageszeitung und der Österreichischen Post.

Das Pariser Tageblatt, eine Boulevardzeitung, hat keinen Vorläufer in der Weimarer Republik. Der Herausgeber ist der Weißrusse Wladimir Poliakoff, der die Tageszeitung finanzierte. Chefredakteur war Georg Bernhard[9], der frühere Chefredakteur der Vossischen Zeitung in Berlin. Im Redaktionsstab saß außerdem Curt Caro. Die erste Ausgabe erscheint am 12. Dezember 1933. Sehr bald kam es zu Differenzen zwischen dem Herausgeber und der Chefredaktion, die 1936 „in der größten und beschämendsten Skandalaffäre der deutschen Emigration“ (Großmann 1969, S. 103) eskalierte: Am 11. Juni erklärt die Redaktion der Zeitung, dass Poliakoff mit dem Leiter der Presse und Propagandaabteilung der Deutschen Botschaft in Paris verhandelt habe, außerdem hätte er Bernhard gekündigt. Am nächsten Tag sollte eine neue Zeitung, die Pariser Tageszeitung, erscheinen (Maas 1985, S. 114). Die Öffentlichkeit glaubt den Anschuldigungen der Redaktion, die, wie sich später herausstellt, Poliakoff unbegründet verleumdet und diffamiert hatte.

Nach Liselotte Maas vergaßen die Exilzeitungen, „eben weil sie die realen Gegebenheiten ihrer besonderen Situation reflektierten, die vornehmsten Aufgaben. Das Ideal der frühestmöglichen Information über die wirklichen Vorgänge in der Welt wich dem politischen Kalkül, die nur der Aktualität und der Wahrheit verpflichtete Berichterstattung planenden Taktieren, der Journalist dem Politiker“ (ebd., S. 117).

Nach dieser Affäre hat Roth seine Veröffentlichungen bei der Pariser Tageszeitung eingestellt. Erst nachdem Bernhard 1937/1938 die Zeitung verließ, ähnlich diffamiert wie Poliakoff (Großmann 1969, S. 103), erschienen dort wieder Feuilletons von Roth. Allein im Jahr 1939 umfassen seine journalistischen Arbeiten für die Pariser Tageszeitung 18 Artikel.

Die Zukunft wird von Willi Münzenberg am 12. Oktober 1938 herausgegeben, der durch seine kommunistische Überzeugung die politische Linie der Zeitschrift prägte. Er organisierte die schwierige Finanzierung, während Arthur Koestler in der Anfangsphase die Chefredaktion inne hatte. Die Zeitung, die sich als Kampfblatt für „ein neues und freies Deutschland in einem freien Europa“ (Hardt 1979, S. 167) verstand, nutzt Roth für drei Veröffentlichungen. Politisch steht er jedoch in Distanz zum Kommunismus.

In den Redaktionsstab der Neuen Deutschen Blätter, deren ersten Ausgabe am 20. September 1933 erschien, gehörten Oskar Maria Graf, Wieland Herzfelde und Anna Seghers (Walter 1978, S. 447). Die Zeitschrift sieht Hans Albert Walter in der Analyse von Selbstverständnis und Zielvorstellungen der Exilpresse als Wegbereiter der „literarischen Volksfront“ (ebd., S. 446). In drei festgelegten „Kampfetappen“ werden, erstens Polemiken deutscher Schriftsteller, die sich den Nationalsozialismus angepasst haben (ebd., S. 451), verfolgt, zweitens führen einige Beiträge den Nachweis, dass es beim Kampf gegen den Faschismus keine Neutralität geben kann (ebd., S. 452), und drittens versuchen die Redakteure mit den Exilierten, die den Faschismus nach Meinung der Redaktion nicht treffend und beweiskräftig genug bekämpfen (ebd., S. 455), zu diskutieren. Roth provoziert bei den Redakteuren Kritik durch seine politische Weltanschauung, da er von einer österreichischen Monarchie träumt. Als die Redaktion im Juni 1935 ein Sonderheft über Egon Erwin Kisch veröffentlichte, hat sich Roth trotzdem mit dem kurzen Feuilleton Egon Erwin Kisch. Kein rasender Reporter beteiligt. Im August 1935 stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen mit der Begründung ein, „der Markt habe sich zu sehr verengt, finanzielle Hilfe käme von nirgends“ (ebd., S. 448).

Für die Österreichische Post, dem Publikationsorgan der Monarchisten im Exil, deren erste Ausgabe Weihnachten 1938, als erste Zeitung nach der österreichischen Besetzung (mehr dazu: Breycha-Vauthier 1960) erschien, veröffentlicht Joseph Roth neun Feuilletons.

Beim Christlichen Ständestaat, einer Wochenzeitschrift, die von November 1933 bis 1938 in Wien von Professor Franz von Hildebrandt und Klaus Dohrn herausgegeben wurde, erschienen insgesamt sechs Feuilletons Joseph Roths. In diesem Periodikum kann er seine monarchistischen Visionen und Träume eines alten Ständestaates veröffentlichen. Da die österreichische Leserschaft von den Inhalten des Feuilletons nicht überzeugt war, rechtfertigt sich Roth in der Polemik An den christlichen Ständestaat (Roth 1976, S. 721–722). Der Christliche Ständestaat unterstützte das politische Programm der Schuschnigg-Regierung und hat den Kampf gegen den Nationalsozialismus zum Ziel (mehr dazu: Ebneth 1976). Zur Leserschaft gehörten Auslandsdeutsche und die katholische Intelligenz Österreichs (ebd., S. 26). Die Zeitung sucht sich ihre Aufgabe darin, zum politischen Engagement zu motivieren und eine für Kirche und Religion postulierte Universität zu vertreten (ebd., S. 31). Die Mehrheit der Mitarbeiter des Christlichen Ständestaates kamen aus Österreich. Die Beiträge richteten sich nicht nur an die Emigranten, da sich die Zeitschrift nicht ausschließlich auf diese Zielgruppe festlegen wollte (ebd., S. 192). Roth wurde durch die Vermittlung von Ernst Krenek zum Mitarbeiter des Blattes.

In der Zeitschrift Der deutsche Weg, die Friedrich Muckermann ab 1934 in der holländischen Stadt Oldenzaal herausgab, veröffentlicht Roth in drei Ausgaben. Darunter Vae victis (Der deutsche Weg, S. 1), ein Artikel, der aus dem Französischen übersetzt in Muckermanns Zeitschrift in Auszügen ausgedruckt wird. Die Exilzeitschrift Der deutsche Weg besaß einen programmatischen Charakter, den Muckermann in seinen Memoiren zusammenfasste:

Die Auslandstätigkeit zielte erstens darauf ab, solange wie möglich nach Deutschland hinein zu wirken. Zweitens suchte ich die im Auslandsdeutschtum vorhandenen Kräfte aufzuklären und womöglich im christlichen Sinne zusammenzuschließen. Drittens mußte ich in allen Ländern über das Wesen des Nationalsozialismus Klarheit geschaffen werden (Muckermann 1973, S. 573).

Diese Konzeption mündete damals in die Aufgabe, das publizistische Organ Der deutsche Weg, herauszugeben.

Neben der Mitarbeit bei den genannten Zeitungen und Zeitschriften kann Roth während seiner Reisen auch noch verschiedene Beiträge an andere Zeitungen verkaufen. 1935 während eines Wien-Aufenthalts schreibt er z.B. In der Kapuzinergruft für die Wiener Sonn- und Montagszeitung. Bei Naszna Opinja und dem Prager Mittag erscheint jeweils ein Artikel.

6. Das Feuilleton im Verständnis Joseph Roths

Wesentliches Kennzeichen des Rotschen Feuilletons ist seine individuelle Wahrnehmung zeitgenössischer Ereignisse und die sich daraus ergebende „stets persönliche Art des Folgerns und des Schlüsseziehens“ (Haacke 1952, S. 296). Durch die glaubwürdige Verbundenheit Joseph Roths mit den Themen seines Feuilletons bleibt die Untersuchung immer methodenunrein, da sich seine Biographie, seine persönlichen Erlebnisse mit dem Geschriebenen vermischen.

Karl Jaspers schreibt jedem Journalisten eine „eigentümliche Verantwortung“ zu:

[…] er weiß seine Macht inmitten der Ereignisse, das Hebelwerk in den Köpfen der Menschen zu meistern. Er wird Mitschöpfer des Augenblicks, indem er das jetzt Sagende findet […] (Jaspers 1933, S. 111).

Joseph Roth scheint sich bei seinen detaillierten Beschreibungen, in dieser gestaltenden Funktion gesehen zu haben. Die charakteristischen Kennzeichen wie Aktualität, Prägnanz und Kürze von Feuilletons lernt er als junger Journalist in Wien und Berlin kennen.[10] Die „echte Aktualität“ sei keineswegs auf zwei Stunden begrenzt:

Sie ist zeit- und nicht tagesgemäß. Die Aktualität ist eine Tugend, die nicht einmal einem Dichter schaden könnte, der niemals für eine Zeitung schreibt (Roth 1976, S. 335/336).

Neben dem Begriff der Aktualität betont Roth die Bedeutung der Stimmung, die nach ihm durch Zusammenhang erzeugt werde (Roth 1970, S. 78).

Ilse Plank hat zum Gattungsbegriff des Feuilletons Roth, den Feuilletonisten, selbst befragen können, da er in seinem Frühwerk einige Male darauf Bezug nimmt (Plank 1967, S. 17). Über die journalistischen Grundsätze zum Aufbau und zur Ästhetik des Feuilletons diskutiert er im Spätwerk jedoch nicht mehr mit seinen Kolleg_innen. Stilistisch verändert er seine Schreibweise nicht grundlegend. Er schreibt seltener Feuilletons, die „Kleine Form“ (Haacke 1952, S. 201–207) genannt werden, die skizzenhaften kleinen Episoden, die seine journalistische Tätigkeit in der Weimarer Republik angeregt haben (Plank 1967, S. 34). Viel stärker neigt er im Exil dazu, Polemiken zu verfassen. Er:

[b]indet also das politische Engagement an das der Profession des Schriftstellers eigene Ethos, begreift mithin – und dieses Verständnis manifestiert sich im Vokabular unübersehbar deutlich – das politische Engagement als Funktion der moralischen Einstellung (Beth 1977, S. 96).

7. Stilistische Einflüsse auf Roths Feuilleton

Mit ästhetischen Grundsätzen des Wiener Feuilletons der 1920er Jahre hat Roth sich während seiner Arbeit an Wiener Tageszeitungen[11] auseinandergesetzt. Die „sprachliche Behutsamkeit“ (Roth 1976, S. 290) habe er bei Alfred Polgar gelernt, der 1919 als Leiter des literarischen Teils in der Redaktion Der Friede gearbeitet hat. Zu seinen Lehrern zählt Roth auch Karl Kraus, obwohl er ihn nicht leiden konnte (Roth 1976, S. 749).[12]

Ilse Plank untersucht die Gemeinsamkeiten zwischen Roths Schreibweise und der Heinrich Heines (Plank 1967, S. 24). Sie stellt fest, dass sich schon in der Form Parallelen bei den Reiseberichten Durch Deutschlands Winter (Roth 1976, S. 651–654) und Die weißen Städte (Roth 1976, S. 880–930) zeigen – beides Veröffentlichungen aus der journalistischen Frühphase des Autors des unvollendeten Feuilletonromans Das Spinnennetz.

Roths Themen weisen ähnliche Charakteristika wie Schriften des österreichischen Autors Grillparzer auf, dessen Auffassung von Staat und Gesellschaft als das Miteinander von Menschen, Ländern und Nationen zu verstehen ist. Zu einer fruchtbaren Wechselbeziehung der Gedanken sei es zwischen den beiden jedoch nicht gekommen, wie Egon Schwarz erkennt (Schwarz 1975, S. 139). Roths Kult um Grillparzer sei nur eine Nuance im umfassenden Österreich-Kult gewesen.

8. Allgemeine stilistische Merkmale in Roths Feuilleton

Wer zunächst blättert, wird kaum eine Stelle finden, wo Roth eine sprachliche oder gedankliche Schlamperei unterlaufen wäre: selbst die unwichtigste der Reportagen, das unverbindlichste Feuilleton sind klar in Gedanken und Stil (Böll 1962, S. 361).

Mit dieser Aussage hat Heinrich Böll den Stil des Schriftstellers und Journalisten charakterisiert. Seine Feuilletons sprechen von seiner inneren Betroffenheit und seinen kleinen Tageserlebnissen. In seinem Satzbau wechseln sich parataktische und hypotaktische Satzkonstruktionen ab. Will Joseph Roth den Leser eindringlich auf Zusammenhänge hinweisen, benutzt er den mittellangen Satz, der sich durch Haupt- und Nebensätze auszeichnet. In Die Ausstellung (Roth 1976, S. 663–685) steigern sich die aufeinanderfolgenden Sätze:

Ich warne Spottlustige. Da gibt es nichts zu lachen! Der Faschismus ist ohne Zweifel in die Wechseljahre gekommen. Seine abstrusen Neuerungen entspringen einer gefährlichen Verworrenheit nicht des ‚Gemütes‘ oder ‚Geistes‘ allein, sondern einer völligen Veränderung der Persönlichkeit sozusagen (Roth 1976, S. 684).

Dem einfachen Satz folgt eine Haupt-, Nebensatzkonstruktion, die für den Leser leicht verständlich und überschaubar bleibt. Seine Warnung wird als stilistisches Element noch einmal effektvoll eingesetzt.[13]

Die Feuilletons weisen sich außerdem durch Satzkonstruktionen aus, die der oralen Sprachkultur angehören, d.h. viele Sätze beginnen mit dem Bindewort „und“, wie z.B. in Wir mischen uns nicht ein (Roth 1976, S. 695–697): „Und kein Sänger ist da“ (ebd., S. 697).

Diese stilistische Note ist normalerweise als Formulierung in der gesprochenen Rede zu finden. In Frauen vor dem Schaufenster (Roth 1984, S. 445–447) zeigt sich diese Darstellungsform noch viel ausgeprägter. Der Redefluss ist übertragen auf die Schriftsprache, so dass viele Sätze mit Ausrufen beginnen:

Oh, man ist oft (ebd., S. 446)

oder

Oh, es ist kein ‚Luxus‘, derartig zu denken und zu fühlen, im fremden Land, … Nun, die Jahre in der Fremde… Und jede Viertelstunde… Und es gibt unerlaubt viele Schaufenster (ebd., S. 446–447).

Schon Reinhard Baumgart (Baumgart 1982, S. 352–364) hebt Roths Neigung zum mündlichen Tonfall hervor, was bei seinem Leser eine Vertrauensbasis schaffe.

Ironie und Pathos, Vertraulichkeit und phantastische Distanz, Schärfe des Blicks und unbefangene Sentimentalität durchdringen sich […], so daß wir ihn wiedererkennen den Idylliker der Katastrophe, den Schreibenden am Tisch des Café-Tournon (ebd., S. 363).

Außerdem apostrophiert Roth Metaphern und Redeklischees (vgl. Hackert 1967, S. 59 und Beug 1975, S. 355). In seinem Brief an Stefan Zweig heißt es: „Meine ‚Hilfsbereitschaft‘ und meine ‚Kameradschaft‘ übrigens ekelhafte Worte, die nur in Anführungsstrichen zu nennen sind […]“ (Roth 1970, S. 410).

Ein häufig verwendetes Stilelement ist die rhetorische Frage. In Leitfaden an den Zeitungsleser Anno 1939 (Roth 1984, S. 440–443) hat Roth bereits darauf aufmerksam gemacht, dass der Leser nur Fragesätzen rückhaltlos trauen darf. In Der unbekannte Clown von Barcelona (Roth 1984, S. 447–448) fragt Roth:

Wer wird das Ruhmeslied des unbekannten Clowns von Barcelona singen, der selbst in den Unterstand flüchtend, […] daran gedacht hatte, sein Werkzeug, sein Gewand, seinen ‚Charakter‘, sein Wesen mitzunehmen? Hat jemals ein Mann stärker bewiesen, daß er dem Tod vertrauter sei als ein sogenannter Held? (ebd., S. 447).

Roth lässt seinen Leser diese Frage selbst beantworten. Er begrüßt die Tat des Clowns, gibt aber keine Antwort auf seine Frage. Durch diese Technik hat der Rezipient die Möglichkeit, in den Überlegungen des Journalisten eine selbstständige, verantwortungsvolle Rolle zu übernehmen. In An der spanischen Grenze (Roth 1976, S. 697–698) heißt es:

Die Frau ist an dem Fall Kataloniens und an dem Sturz Europas krank, geisteskrank geworden. Wie sollte man’s da auch nicht? (Roth 1976, S. 697).

Auf diese rhetorische Frage erwartet Roth keine Antwort, er regt seinen Leser zum Nachdenken an. Unwillig und gehässig reagiert der Österreicher mit seinen Fragen in Man tauscht Kinder aus (ebd., S. 714–716):

Was sollen sie dort lernen? Die deutsche Sprache? – Vom ‚Völkischen Beobachter‘ etwa? – Von Hitler vielleicht? – Von Goebbels oder Göring? – Von den Dichtern des Nationalsozialismus?! (ebd., S. 715).

Ein weiteres, stilbestimmendes Element der Sprache Roths im Feuilleton aus dem Zeitraum von 1933–1939 sind die unpersönlichen Wendungen. Sie sind nicht alle gleichwertig, doch er benutzt sie häufig, um besondere Urteile und Feststellungen zu formulieren:

Es wird sich darum handeln (…) (Roth 1976, S. 683).
Immerhin bleibt ein Rätsel, über das (…) (ebd., S. 686).
Es sind viele (…) (ebd., S. 693).
Es gibt (…) (ebd., S. 694).
Noch einmal erweist es sich (…) (ebd., S. 695).

Andere Wendungen stehen nach? Infinitivkonstruktionen: „Es ist also anzunehmen, daß (…)“ (ebd., S. 691).

Roth hat auch formalhafte Wendungen, wie „Es liegt mir fern (…)“ (ebd., S. 700) oder „wie es sich gehört“ (ebd., S. 689), „von Tag zu Tag (…) wird es schwieriger“ (ebd., S. 687) in seinen Wortschatz aufgenommen. Der Schriftsteller und Journalist, der besonders darauf achtet, sich nicht in Phrasen auszudrücken, bemerkt scheinbar nicht, wie viele formelhafte Impersonalia seinen eigenen Wortschatz auszeichnen.

Roths sprachlichen Ausdruck prägt außerdem das Indefinitpronomen ‚man‘. Damit muss der Autor Personen nicht näherbestimmen und kann sein eigenes Ich dahinter verstecken. Roth verwendet das unbestimmte Fürwort in der semantischen Bedeutung des eigenen Ichs und gleichzeitig in Bedeutung der ganzen Menschheit. Beispiele lassen sich in großer Mehrzahl anführen:

Man sieht: diese Methoden sind plump (ebd., S. 672).
Man hat es eben schauernd erlebt (ebd., S. 673).
Wenn man die Erfahrung über Deutschland (…) (ebd., S. 674).
Man täusche sich nicht darüber (…) (ebd.).
Man betrachte die Lächler (…) (ebd., S. 679).
Man kann nicht einmal sagen (…) (ebd., S. 680).
Mehr kann man nicht mehr sagen (ebd., S. 686).
Man muß sich heutzutage entschuldigen, wenn man schreibt (…) und man muß weiterschreiben (…) Man muß schreiben, gerade dann, wenn man nicht mehr glaubt (…) (ebd., S. 687).
Und selbst, wenn man’s (…) (ebd., S. 689).
Jedes Wort, das man darüber noch verlieren wollte (…) (ebd., S. 690).
Es ist, als ob man (…) (ebd., S. 693).
(…) kann man (…) (ebd., S. 694).
Man spricht dort deutsch (…) (ebd.).
Seit Jahren, die so erfüllt sind von Graus, daß man sie gar nicht mehr zählen kann (…) (ebd., S. 695).
Wie sollte man’s da auch nicht? (ebd., S. 697).

Fast jedes Feuilleton enthält das unbestimmte Pronomen ,man‘. Ob Joseph Roth dieses Fürwort bewusst einsetzt, in jeder Bedeutung seine eigene Person miteinschließt oder ob er unbewusst die allgemeine und unbestimmte Bedeutung wählt, lässt sich heute nicht nachweisen. Rudolf Leonhard meint, Roth sei ein außerordentlicher Formulierer gewesen: „Er liebte die Formel und das Formulieren, weil es sich um die Klarheit handelte (…)“ (Leonhard 1970, S. 81).

9. Schlusswort

Der vorliegende Artikel ist als Versuch zu verstehen, die allgemeinen Merkmale des Rotschen Feuilletonstils zu beschreiben und das Feuilleton als Gattung zu definieren sowie Roths Zusammenarbeit mit der Exilliteratur zu schildern. Seine Welt waren Cafés, Bistros, Restaurants und Bars, in denen er seine Bücher schuf und wo die Kolumnen des Journalisten entstanden. Es sind bislang fast 1500 Zeitungsartikel als Veröffentlichungen aus seiner Hand nachgewiesen. Noch immer tauchen aber in den Zeitungsarchiven verschollene Texte auf. Diese sind nicht nur als literarische Texte relevant, sondern auch und vor allem als Dokumente der Zeit wahrzunehmen, denn sie schildern den Werdegang eines Menschen, Journalisten und Schriftstellers, dessen Leben durch historische Ereignisse stark geprägt wurde.



* Marcin Gołaszewski, Der Verfasser des Beitrags ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Germanistik/Fachbereich für Philologie an der Universität Łódź, Pomorska 171/173, 90-236 Łódź. E-mail: marcin.golaszewski@uni.lodz.pl




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Fußnoten

  1. Die Reporterreisen führen ihn vor allem in die Sowjetunion, nach Albanien, Jugoslawien und Polen (ausführlich dazu: Sternburg 2009, S. 326–337).
  2. Es ist in der Forschungsliteratur zu Roth strittig, ein bestimmtes Datum als Beginn des Exils festzulegen. Der Autor reist schon vor 1933 durch Europa und lebt drei bis vier Monate jedes Jahres in Paris.
  3. Das ist eine überparteiliche Hilfsorganisation für Emigranten, die Hubertus Prinz zu Löwenstein 1935 gegründet hat.
  4. Marcel Reich-Ranicki hat zur Eröffnung der Ausstellung einen Vortrag gehalten: „Er war ein begnadeter Schelm, ein schwermütiger Poseur, ein Schalk mit Noblesse, ein Snob mit ahasverischen Zügen und ein Bohemien mit dem Trieb zur Selbstzerstörung, ein gewandter Cafehausprophet, dem nie die aufmerksamen Jünger gefehlt haben (Ranicki 1979, S. 13).
  5. Aus dieser Zeit kommen folgende Feuilletons (Auswahl): Glauben und Fortschritt. Vortrag gehalten am 12.06.1936 (De Gemeenschap, Roth 1976, S. 633–646), Die vertriebene deutsche Literatur (Nazna Opinja Lwów) 07.03.1937 (Roth 1976, S. 400–404), Kriminalaffäre Nobelpreis (Das Neue Tagebuch) 03.07.1937 (ebd., S. 647–649), Prognose für den Zigeunerkönig (Das Neue Tagebuch) 17.07.1937 (ebd., S. 174–175), Psychiatrie (Das Neue Tagebuch) 24.07.1937 (ebd., S. 649–651), Nur eine Glosse (Das Neue Tagebuch) 28.08.1937 (ebd., S. 651–652), Verleger in Österreich oder österreichische Verleger (Der Christliche Ständestaat) 29.08.1937 (ebd., S. 296–301), Aus dem Tagebuch eines Schriftstellers (Das Neue Tagebuch) 04.09.1937 (ebd., S. 301–305), Helden zittern (Das Neue Tagebuch) 11.09.1937 (ebd., S. 652–654), Juden, Judenstaat und Katholiken (Der Christliche Ständestaat) 26.09.1937 (ebd., S. 412–418), Richtigstellung (Das Neue Tagebuch) 06.11.1937 (ebd., S. 305), Grillparzer (Das Neue Tagebuch) 04.12.1937 (ebd., S. 306–315), Der Segen des ewigen Juden. Zur Diskussion (Die Wahrheit. Prag) 1937 (ebd., S. 418–425), Vorrede zur Neuauflage Juden auf Wanderschaft (Amsterdam) 1937 (ebd., S. 359–369), Monarchie und Parteien. Brief aus Belgien (Unveröffentlichtes Manuskript) 1937, Emigration (Fragment-Manuskript) 1937 (ebd., S. 654–665), Das alte Österreich (Unveröffentlichtes Manuskript) 1937 (ebd., S. 425–432), Österreich atmet auf (Typoskript) Frühjahr 1938 (ebd., S. 432–437), Handbuch des Kritikers (Das Neue Tagebuch) 15.01.1938 (ebd., S. 433–434), Die Kinder von Barcelona (Das Neue Tagebuch) 19.02.1938 (ebd., S. 665–667), Victoria victis! Zur Rede des Bundeskanzlers (Der Christliche Ständestaat) 06.03.1938 (ebd., S. 726–728), Totenmesse (Das Neue Tagebuch) 19.03.1938 (ebd., S. 729–731), Der apokalyptische Redner. Die Propaganda des Dritten Reichs – eine Weltgefahr (Pariser Tageszeitung) 20.–21.03.1938 (ebd., S. 671–674), Brief an einen Staathalter (Das Neue Tagebuch) 26.03.1938 (ebd., S. 731–733), Huldigung an den Geist Österreichs (Vortrag) März 1938 (ebd., S. 733–735).
  6. „Und der Regen regnete jeden Tag" – das Zitat drückt besonders deutlich die Stimmung Roths aus.
  7. Ausführlich zur Begriffsbestimmung sowie zum Feuilleton in der Exiltradition: (Gołaszewski 2016, S. 239–260).
  8. Das Schlagwort „zwischen den Zeilen – gegen politische Herrschaft" verwendet Wilmont Haacke bei seiner Darstellung Das Feuilleton im 20. Jahrhundert, in: Publizistik 21 (1976), S. 285–312, hier S. 287. Zwischen Leser und Autor der Feuilletons entstünde eine Form der Individualkommunikation, wie Haacke sagt.
  9. Er spielte eine Rolle in Lion Feuchtwangers Roman Exil.
  10. „Vor 1933 gehört Joseph Roth zu den höchst bezahltesten Feuilletonisten der deutschen Presse" (Wapnewski, 1979, S. 152).
  11. In der Weimarer Republik gehört Joseph Roth bereits zu den bekanntesten Zeitungskolumnisten im deutschsprachigen Raum. Er wurde sogar einer der Starjournalisten der Weimarer Republik, denn Roths journalistische Arbeiten wurden den verschiedensten Redaktionen angeboten. Ein Agent hat berichtet, dass er „öfters zehn Feuilletons oder Kurzgeschichten ein einer Woche" an 30 verschiedene Zeitungen verkauft hat. Der erste Artikel Roths erscheint 1915 in Österreichs Illustrierte Zeitung. Demnach veröffentlicht er ab 1919 zunächst regelmäßig im Wiener Der Neue Tag und dann im Prager Tageblatt. Auch in Berlin ist er tätig. Erstmal für die Neue Berliner Zeitung – 12-Uhr-Blatt, dann auch für den Berliner Börsen-Courier. Ab 1922 schreibt er für den Vorwärts. Er arbeitet auch als Korrespondent und Reisereporter für die Frankfurter Zeitung. Vor allem sind es linke und liberale Zeitungen, die Roths Texte in den 1920er Jahren publizieren. Seine publizistische Arbeit für die rechts-bürgerlichen Münchner Neuesten Nachrichten bleibt deswegen eine Ausnahme. (Sternburg 2009, S. 32–33).
  12. Curt Hohoff spricht vom Einfluss Flauberts und Leo Tolstois auf das Werk des Schriftstellers Joseph Roth (Hohoff 1957, S. 15). Hohoff unterscheidet jedoch nicht, ob diese Wirkung nur die Romane und Novellen umfasst oder ob sie auch auf das feuilletonistische Werk übertragbar ist. Die literarische Beeinflussung durch die slawische Welt versucht Roman S. Struc zu beleuchten. Diese Welt habe tiefste Spuren hinterlassen, „indirekt durch die Lektüre der slawischen Literatur, hauptsächlich aber der russischen, […] direkt durch den Einfluß Dostojewskijs" (Struc 1975, S. 343–344).
  13. Die Aussage „Ich warne Spottlustige" wird noch einmal in der zweiten Textpassage eingesetzt.

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