https://orcid.org/0000-0002-6047-1352
(Summary)
This article shows which subject matter is to be found in the German black joke. The material analysis includes 30 jokes taken from the book “Da bleibt kein Auge trocken” by Willy Millowitsch (1980). Besides the subjects to be found (violence, suffering and death) the form of the jokes and the sentence types appearing in the black jokes mentioned by Millowitsch are also important.
Keywords: German black humour, violence, suffering and death as subject matter in joke
Im vorliegenden Beitrag wird versucht, zu zeigen, welche Motive im schwarzen Humor gefunden werden können, sodass sogar das Unfassbare und Unverletzbare doch zum Witzthema werden kann. Die gewählten Witze werden auch unter dem Aspekt ihrer Form untersucht. Das Analysematerial bilden die dem als eine Sammlung der witzigen Texte zu verstehenden Buch von Willy Millowitsch „Da bleibt kein Auge trocken“[1] entstammenden Witze der Kategorie „schwarzer Humor“. Die erste Ausgabe erschien im Jahre 1966. Die als Quelle der zu analysierenden Witze genommene Ausgabe aus dem Jahre 1980 ist eine Sonderausgabe des Buches und kann ohne Weiteres davon zeugen, dass die von Millowitsch, dem bekannten deutschen Showmann und Schauspieler zusammengestellten Witze immer noch aktuell sind, was auf ihre Zeit- und Raumunabhängigkeit hindeutet.
Der Tabubegriff[2] wurde nach Europa im 18. Jh. gebracht, was Folge der sog. Entdeckungsreisen von Cook war, mit der Kultur der polynesischen Inseln zusammenhing und alles Unberührbare, Unverletzbare und Heilige bedeutete. Dieses Wort wurde dort in Bezug auf die Sitten und Bräuche verwendet, die eng mit der Religion verbunden waren.[3] Man hat das Tabu zuerst als einen Aberglauben betrachtet, dann aber wurde es als exotisches Phänomen gesehen, bis man es später in den allgemeinen Wortschatz übernommen hat. Da der Tabubegriff anfangs mit der Religion zusammenhing und des Weiteren auf das alltägliche Leben übertragen wurde, bleibt bis heute alles, was mit dem Gott, der Kirche und dem Glauben allgemein verbunden ist, in vielen Gesellschaften tabu.
Donker (2017) betont den nonverbalen Charakter des Tabus und weist auf seine den Menschen als Individuum innerhalb einer großen Gruppe beurteilende Funktion hin.
Tabus sind nonverbale Kulturelemente, die mit der Verankerung von Moral und Sitte einhergehen, tradiert und generationsübergreifend weitergegeben werden. Sie verbieten bestimmte Handlungen und Diskurse, ohne dass ein Verbot ausgesprochen oder schriftlich festgehalten werden muss und ohne den Menschen als Einzelindividuum zu diskreditieren.[4]
Interessant scheinen demzufolge auch die Definitionen von Tabu zu sein, die in heutigen Wörterbüchern zu finden sind. Laut DUDEN werden dem Tabu zwei Bedeutungen zugeordnet, d.h. die eine, die mit der Völkerkunde zusammenhängt[5]: „Verbot, bestimmte Handlungen auszuführen, besonders geheiligte Personen oder Gegenstände zu berühren, anzublicken, zu nennen, bestimmte Speisen zu genießen“ und die andere[6]: „ungeschriebenes Gesetz, das aufgrund bestimmter Anschauungen innerhalb einer Gesellschaft verbietet, bestimmte Dinge zu tun“. Im Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik[7] wird diese allgemeinsprachliche Definition von Tabu um weitere Elemente ergänzt, d.h. um die Erklärung der Funktion von Tabu in der Gesellschaft mit dem Hinweis darauf, was von Freud[8] gesagt wurde in Bezug auf menschliche Triebe und deren Befriedigung, d.h. auf seine einschränkende Funktion, was im engen Zusammenhang mit den sozialen Normen und ihrer das Leben innerhalb einer Gruppe regelnden Funktion steht.
Der Erfolg des Verbotes war nur, den Trieb – die Berührungslust – zu verdrängen und ihn ins Unbewußte zu verbannen. Verbot und Trieb blieben beide erhalten; der Trieb, weil er nur verdrängt, nicht aufgehoben war, das Verbot, weil mit seinem Aufhören der Trieb zum Bewußtsein und zur Ausführung durchgedrungen wäre. Es war eine unerledigte Situation, eine psychische Fixierung geschaffen, und aus dem fortdauernden Konflikt von Verbot und Trieb leitet sich nun alles Weitere ab[9].
Der Tabubruch und das Missachten der Regeln beeinflussen stark das nach den Normen zu beurteilende menschliche Verhalten und können sogar zum Ausschließen des Individuums aus einer Gruppe führen. Manche Psychologen[10] definieren das Tabu auch als Sonderfall gesellschaftlicher Normen. Nicht weniger wichtig sind dann solche Tabudefinitionen, in denen auf das Verbot hingewiesen wird[11], d.h. „1) etwas, über das nicht gesprochen werden darf“ und des Weiteren noch „2) ein aus Anstand oder bestimmten Anschauungen heraus gültiges Verbot“.
Dem Tabu an sich wird nicht selten die sog. politische Korrektheit gleichgestellt, was zur Folge hat, dass konkrete Themen, wie z.B. Religion, Tod, Krankheit oder Sex verschwiegen werden sollen. Im Wörterbuch des Polnischen (Słownik języka polskiego PWN)[12] wird sie folgendermaßen definiert: „unikanie wypowiedzi lub działań, które mogłyby urazić jakąś mniejszość, np. etniczną, religijną lub seksualną“[13].
Beide mit dem Humor zusammenhängenden Erscheinungen – Lächeln und Lachen sind nach Freud (1905/1985) i Bergson (1900/1977) für das Individuum charakteristisch und als Reaktionen auf alles zu verstehen, was konkret mit dem alltäglichen Leben verbunden ist.
Der Humor an sich und das mit ihm eine Einheit bildende Lachen betreffen den Menschen als Element einer größeren sozialen Gruppe. Die genannten Humorforscher weisen auf die erzieherische Funktion des Humors. Es erhebt sich an dieser Stelle die Frage danach, wie der Galgenhumor erziehen kann. Die im Rahmen des schwarzen Humors angebotenen Witze über Gewalt, Leiden, Tod, todkranke Menschen oder Schwerbehinderte stehen weit weg von dieser genannten, dem Lachen und Lächeln zugeschriebenen Aufgabe, werden aber trotzdem nicht verpönt. Die von Plessner (1941/1982) genannte informative Funktion des Humoristischen kann demzufolge auch in Frage gestellt werden.
In seinem Buch „Da bleibt kein Auge trocken“ teilt Millowitsch die gesammelten humoristischen kurzen Texte in 3 große Gruppen: allgemeine Witze, Mundartwitze und die nach den Witzfiguren und den Originalen ausgesonderten Witze. Schwarzer Humor, von Millowitsch schwarze Witze genannt, gehört in seiner Sammlung zur Gruppe der allgemeinen Witze (Kap. 8, S. 121–135). Es ist zu erwähnen, dass sich Millowitsch vor allem nach den Motiven gerichtet hat, denn schwarze Witze umfassen alle von Gewalt und Tod erzählenden Texte. Was aber dabei auffällt, ist, dass den größten Teil der hier gruppierten Witze die sog. Mutti/Vati-Witze bilden. Ihr Hauptmerkmal ist die dominierende Dialog-Form, die mit der Erzählung bzw. der Frage-Antwort-Konstruktion ergänzt wird. In erster Linie sind es kurze Gespräche zwischen der Mutter bzw. zwischen dem Vater und den Kindern.
Alle analysierten Witze wurden den heute geltenden orthographischen Regeln angepasst.
Der Tod als Lebensende des vom Gott erschaffenen Menschen, steht in vielen Kulturen im Zusammenhang mit dem von der Religion als Neuanfang verstandenen Leben nach dem Tod und bedeutet demzufolge etwas Unberührbares und Unverletzbares, etwas, worüber nur selten gesprochen, geschweige denn gelacht wird. Schwarzer Humor bedeutet auch in dieser Hinsicht eine übertriebene, freche Darstellung des Sterbens bzw. des Tötens und aller damit zusammenhängenden Begleiterscheinungen ‒ von der Krankheit der Nächsten, der zunehmenden Schwäche des Schwerkranken bis zum Tod selbst.
Die von Millowitsch zusammengestellten humoristischen Texte aus der Gruppe der schwarzen Witze stellen kurze Gespräche zwischen der Mutter bzw. dem Vater und den Kindern dar. In einer auf den ersten Blick normalen Umgebung erscheinen Kinder, die entweder mit den Leichen ihrer Verwandten spielen (1) oder sogar zu den Kannibalen werden und ihr eigenes Geschwister bzw. ihren Elternteil auf den Tisch serviert bekommen, wie in den Witzen (2) und (3).
(1) ››Mami, Mami‹‹, rufen die Kinder und stürmen zur Tür herein.
››Lass uns noch mal mit Oma spielen.‹‹
››Macht, dass ihr raus kommt ‹‹, befiehlt die Mutter.
››Der Sarg bleibt zu!‹‹
1.1. Dialog
1.2. Imperativsatz
(2) ››Mutti‹‹, beklagt sich der kleine Junge.
››Ich mag meinen Bruder einfach nicht.‹‹
››Bist du still‹‹, schimpft die Mutter.
››Du sollst essen, was auf den Tisch kommt.‹‹
2.1. Dialog
2.2. Imperative Bedeutung der Aussage ››Bist du still‹‹
(3) ››Vati, was gibt es heute Mittag zum Essen?‹‹
››Hab’ ich dir nicht verboten, nach Mutter zu fragen?‹‹
3.1. Dialog
3.2. Frage/Antwort
3.3. Was-Frage
3.4. Entscheidungsfragesatz
Schwarzer Humor umfasst auch solche Geschichten, in denen kleine Kinder stets mit Gewalt den Nächsten gegenüber konfrontiert werden. Somit wird der durch die Gewalt verursachte Tod zu etwas Normalem, weil auf diese Weise das größte Tabu gebrochen wird. Das Geheimnis des Sterbens wird somit gelüftet und es ist keines mehr, sodass der Tod an sich für die Kinder etwas Alltägliches werden kann. Die Kleinen werden auch zu den Akteuren der Gewaltszenen im schwarzen Witz, wenn sie von den eigenen Eltern zur Gewalt angeheuert werden, wie in den folgenden Texten:
(4) ››Mutti, Mutti, Papi ist gerade in den glühenden Ofen gefallen, komm schnell helfen!‹‹
››Mach’s selbst, Kind! Schür noch ein bisschen nach. Es ist so kalt in der Stube.‹‹
4.1. Dialog
4.2. Imperativsatz
(5) ››Papa, Papa, komm schnell in die Küche und hilf! Mami brennt lichterloh!‹‹
››Psst, sei still und schließ die Vorhänge, sonst kommt noch die Feuerwehr!‹‹
5.1. Dialog
5.2. Imperativsatz
(6) ››Mutti‹‹, fragt die Kleine. ››Warum ist Vati so blass?‹‹
››Halt den Mund und grab weiter!‹‹
6.1. Dialog
6.2. Warum-Frage
6.3. Imperativsatz
(7) ››Mutti‹‹, fragt das kleine Mädchen. ››Warum läuft der Papa denn immer im Zickzack herum?‹‹
››Ruhe, Kind, schieß weiter!‹‹
7.1. Dialog
7.2. Warum-Frage
7.3. Imperativsatz
Die mit Gewalt gefüllten Szenen des Alltags erscheinen auch in den Witzen, in denen kleine Kinder ihren Spaß am Leiden anderer haben, z.B.
(8) ››Mutti‹‹, kommt der Sohn gelaufen.
››Der Vati will das Beil nicht hergeben.‹‹
››Wenn du ihn schön darum bittest, gibt er es bestimmt‹‹,
sagt die Mutter.
››Nein, das tut er eben nicht.‹‹
››Wo hat er das Beil denn?‹‹
››Im Kopf stecken!‹‹
8.1. Dialog
8.2. Wo-Frage
In den schwarzen Witzen wird den Kindern nicht beigebracht, Verstorbene zu ehren, z.B.
(9) ››Mami‹‹, fragt die Kleine. ››Darf ich im Sandkasten spielen?‹‹
››Nein, jetzt nicht.‹‹
››Mami, wann darf ich denn im Sandkasten spielen?‹‹
››Bald, mein Kind.‹‹
››Mami, wann ist denn bald?‹‹
››Wenn wir für den toten Opa einen anderen Platz gefunden haben‹‹
9.1. Dialog
9.2. Wann-Fragen
(10) Eines Tages kommt die Mutter heim und muss feststellen, dass ihre
Kinder die Oma verheizt haben. Wütend beschimpft sie die Kinder:
››Ich hab’ euch doch schon x-mal gesagt, dass ihr den Ofen nicht mit
allem Möglichen vollstopfen sollt. Kein Wunder, wenn er immer ausgeht.‹‹
10.1. Erzählung
10.2. Monolog
Sick humour bedeutet auch das Lachen über die zum Tod führenden fehlenden Fähigkeiten:
(11) ››Mutti, ich kann nicht mehr schwimmen!‹‹
››Sei ruhig, dummer Bub!‹‹
››Muttiiii...ich kkkann...blub...aber nicht...blub...mehr schwimmen.‹‹
››Sei doch endlich still und nimm dir ein Beispiel am Reserl. Sieh, wie still die untergeht.‹‹
11.1. Dialog
11.2. Imperativsatz
Die Kinder aus den schwarzen Witzen lernen keinen richtigen Umgang mit schwerkranken Menschen, man verlangt von ihnen sogar die Sterbehilfe ihren Verwandten gegenüber, wie
z.B.
(12) ››Mutti, der Fernsehschirm flimmert so!‹‹
››Stell halt Vatis Herz-Lungen-Maschine ab!‹‹ --
››Gelt, jetzt haben wir ein feines Bild?‹‹
12.1. Dialog
12.2. Imperativsatz
12.3. rhetorische Frage
Schwarzer Humor heißt auch die mit Gewalt gefüllten Szenen des Familienlebens:
(13) ››Mutti‹‹, weint das kleine Mädchen.
››Muss ich denn die ganze Zeit im Kreis laufen?‹‹
››Wenn du nicht still bist, nagle ich dir den anderen Fuß auch noch fest.‹‹
13.1. Dialog
13.2. Entscheidungsfragesatz
(14) ››Mutti, kann ich jetzt den Kopf unter der Brotmaschine wegnehmen?‹‹
››Wart noch ein bisschen, Kind.‹‹ Krkk...krekkk.
14.1. Dialog
14.2. Entscheidungsfragesatz
14.3. Imperativsatz
(15) Ein Vater stellt seinen Sohn auf den Schrank und befiehlt ihm, in seine
Arme zu springen. Der tut es, da geht der Vater beiseite. Als der Junge
nun mit dem gebrochenen Bein ins Krankenhaus gebracht wird, sagt der
Vater mit erhobenem Zeigefinger: ››Das soll dir eine Lehre sein, niemandem zu trauen.‹‹
15.1. Erzählung
15.2. Monolog
(16) ››Endlich habe ich meiner Tochter das Nagelkäuen abgewöhnt‹‹, prahlt der stolze Vater.
››Wie denn?‹‹, fragt ein interessierter Papa
››Ganz einfach, ich habe ihr die Finger abgeschnitten.‹‹
16.1. Dialog
16.2. Wie-Frage
Unter den von Millowitsch zusammengestellten schwarzen Witzen findet man auch solche, in denen von den gewalttätigen Kindern die Rede ist. Das Unfassbare wird somit zum Thema und zum Motiv der humoristischen Texte:
(17) ››Aber Peter‹‹, sagt die Mutter vorwurfsvoll.››Auch wenn man die Schule nicht mag, ist das kein Grund, sie in Brand zu stecken.‹‹
17.1. Monolog
(18) In einem ländlichen Ort geht eine Sommerfrischlerin spazieren.
Begegnet sie einem kleinen Jungen, der bitterlich weint. Sofort bleibt
sie stehen, um ihn zu trösten: ››Was ist denn geschehen?‹‹
››Unsere Katze‹‹, heult der Junge, ››die hat fünf Junge gehabt, und der Vater hat sie alle ersäuft.‹‹
››Ja, das Leben ist hart‹‹, sagt die Dame mitfühlend.
››Aber es zeigt dein gutes Herz, dass du dir die Tat so nahegehen lässt.‹‹
››Ich wein’ ja bloß vor Zorn‹‹, brüllt der Bub.
››Ich wollt’ sie doch selber ertränken.‹‹
18.1. Erzählung
18.2. Dialog
Eine andere Gruppe, die sich unter den schwarzen Witzen aussondern lässt, umfasst die Ehe-Witze, in denen eben die hasserfüllten Ehepartner zu den Hauptfiguren des Humoristischen werden.
(19) ››Herr Müller‹‹, ruft die Nachbarin aufgeregt. ››Ihre Frau ist soeben im Dorfweiher ertrunken.‹‹
››Dann sollten Sie sofort die Seuchenstelle verständigen.‹‹
19.1. Dialog
(20) ››Wenn ich sterbe‹‹, sagt der Mann nachdenklich, ››möchte ich verbrannt werden.‹‹
››Typisch für dich‹‹, sagt die Frau gehässig. ››Dann werde ich auch einmal die Asche im ganzen Haus verstreuen.‹‹
20.1. Dialog
(21) Was ist der Unterschied zwischen einer Ehefrau und einem Feuerzeug?
Keiner. Beide gingen!
21.1. Frage-Antwort
21.2. Was-Frage
(22) ››Aber Eduard‹‹, ruft die junge Frau entsetzt, als sie zu Hause ankommt.
››Das ist ja gar nicht unser Baby!‹‹
››Halt bloß den Mund. Das war ein guter Tausch!‹‹
22.1. Dialog
22.2. Imperativsatz
(23) Die Ehefrau liegt auf dem Sterbebett. ››Lass Mutter bei meiner
Beerdigung mitfahren‹‹, bittet sie mit schwacher Stimme.
››Meinetwegen‹‹, brummt er unwirsch.
››Aber es wird mir den ganzen Tag verderben.‹‹
23.1. Dialog
(24) Ein Arbeiter geht zur Beerdigung seiner Frau. Später, beim
Leichenschmaus, ertönt die Fabriksirene. Ohne ein Wort zu sagen, steht der Arbeiter auf und geht zur Tür.
››Aber du willst doch jetzt nicht arbeiten?‹‹ fragen die Verwandten ungläubig.
››Doch‹‹, sagt er. ››Erst die Arbeit und dann das Vergnügen!‹‹
24.1. Erzählung
24.2. Dialog
24.3. rhetorische Frage
(25) ››Endlich bin ich jetzt größer als meine Frau‹‹, erzählt ein Mann zufrieden seinem Freund.
››Wieso‹‹, witzelt der.
››Bist du denn noch gewachsen?‹‹
››Nee, sie ist amputiert worden.‹‹
25.1. Dialog
Ausgelacht werden dabei sogar die mit dem Amputieren der Beine endende Krankheit der Frau, ihr Sterben und die von ihr formulierten letzten Wünsche bzw. ihr Tod. Das alles steht im Mittelpunkt der schwarzen Witze dieser Untergruppe.
Zum Schluss können noch diese von Millowitsch ausgewählten Witze erwähnt werden, die den Tod als Strafe enttabuisieren, z.B.
(26) Zwei Männer werden miteinander auf Schafott geführt.
Fragt der eine den Scharfrichtergehilfen:
››Was für ein Tag ist denn heute?‹‹
››Montag‹‹, antwortet der.
Wendet sich der eine Delinquent missvergnügt an den anderen: ››Die Woche fängt ja gut an!‹‹
26.1. Erzählung
26.2. Dialog
26.3. rhetorische Frage
(27) Ein Mann wird aufs Schafott geführt. Ehe ihm die Augen verbunden
werden, wendet er sich an den Pfarrer und fragt leise: ››Was gibt man
denn dem Henker so an Trinkgeld?‹‹
27.1. Erzählung
27.2. Monolog
27.3. Was-Frage
Der Selbstmord, in der Religion verstanden als die größte Sünde, wird auch zum Motiv des schwarzen Humors:
(28) Ein Selbstmörder wird aus dem Fluss gefischt und mühsam dem Leben wieder gewonnen.
››Eigentlich ein Unsinn‹‹, sagt ein Mann, der ihn kennt,
››Er wollte doch sterben. Das gibt noch eine Gaudi, wenn er aufwacht und merkt, dass er lebt.‹‹
››Man muss es ihm halt ganz schonend beibringen.‹‹
28.1. Erzählung
28.2. Dialog
Sick humour bedeutet auch das Lachen über das Misshandeln der menschlichen Leiche, z.B.
(29) Der Krematoriumsdiener ruft verzweifelt den Direktor an:
››Herr Direktor, ich habe solche Schwierigkeiten mit einem Liliputaner, der heute
verbrannt werden soll. Der ist mir schon zum dritten Mal durch den Rost gefallen.‹‹
››Schicken Sie ihn her‹‹, befiehlt der Direktor.
››Ich rauche ihn dann in der Pfeife.‹‹
29.1. Dialog
29.2. Imperativsatz
(30) Der Gehilfe vom Begräbnisverein Pietät klingelt bei Witwe Maier und sagt:
››Ich komme, um Ihren Seligen abzuholen. Packen Sie ihn aber bitte in zwei Teile,
ich bin mit dem Fahrrad da.‹‹
30.1. Erzählung
30.2. Monolog
30.3. Imperativsatz
An den erwähnten Beispielen sieht man ganz genau, dass das Primitive, Gefühllose und das die menschliche Würde Verletzende im Vordergrund stehen soll. Alles vom Tabu Verbotene und Verschwiegene wird wortwörtlich gesagt, gezeigt und zum Schluss noch ausgelacht. In vielen der zitierten Witze gibt es eine kurze Einführung in den situativen Kontext, die als eine Art Erzählung einzustufen ist, die des Weiteren mit dem Dialog bzw. Monolog erweitert wird.
Die dem Buch von Millowitsch entstammenden analysierten Witze können nach den dort auftauchenden Motiven eingeteilt werden. Die größte Gruppe umfasst Mutti/Vati-Witze, unter denen die mit dem Motiv Kinder und Gewalt/Tod (Witz 1-18) zu finden sind. Des Weiteren stoßen wir auf Ehe-Witze (Witz 19-25). Unter den analysierten schwarzen Witzen gibt es noch diese über den Tod (Witz 26-30). Aus der Analyse geht hervor, dass das Motiv des Todes neben anderen Motiven im Witz erscheint (Witze 1-18).
Die Analyse hat gezeigt, dass die meisten von den besprochenen Witzen eine Dialog-Form haben (20/30, d.h. Witz 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 11, 12, 13, 14, 16, 19, 20, 22, 23, 25, 29), des Weiteren sind folgende Formen zu nennen: Erzählung + Dialog (4 /30, d.h. Witz 18, 24, 26, 28), Erzählung + Monolog (4/30, d.h. 10, 15, 27, 30), Frage-Antwort (1/30, Witz 21) und Monolog (1/30, Witz 17).
In den besprochenen Texten erscheinen Imperativsätze (Witz 1, 2, 4, 5, 6, 7, 11, 12, 14, 22, 29), des Weiteren sind es Fragesätze, darunter Entscheidungsfrage (3, 9, 13, 14, 25), rhetorische Frage (12, 24), Was-Frage (3, 18, 21, 27), Warum-Frage (6, 7), Wie-Frage (16), Wann-Frage (9), Wo-Frage (8), Wann-Frage (9), Wieso-Frage (25) und Was-für-ein-Frage (26).
Schwarzer Humor, genannt auch Galgenhumor oder sick humour bietet dem Rezipienten keine verhüllten Botschaften an, zwingt ihn gar nicht oder nur selten (Witz 2, 6, 7, 10) dazu, nach dem versteckten Sinn zu suchen bzw. zwischen zwei oder mehr möglichen Assoziationsnetzen zu wählen, denn er ist direkt. Der situative und der sprachliche Kontext sind eindeutig. Es sind meistens kurze Dialoge zwischen den Elternteilen und den Kindern, die vor allem jedes Mal an die Kleinen gerichtete Imperativsätze beinhalten. Nicht selten erscheinen in den schwarzen Witzen auch Fragesätze verschiedener Art. Von dem Rezipienten wird aber kein Vorwissen aus konkreten Bereichen verlangt, man erwartet von ihm nicht, dass er die Situation wie gewünscht einschätzt und interpretiert. Im Galgenhumor ist alles von Anfang an gesagt worden ‒ im Text erscheinen grausame Motive und Szenen und das Verhalten der Witzfiguren verstößt gegen alle möglichen sozialen Normen. Schwarze Witze zeigen zwar die dunkle Seite des Menschen, gleichzeitig können sie jedoch eine entlastende Wirkung haben. Sie können keine erzieherische Funktion haben, was vor allem auf das Verstoßen gegen alle verbindlichen sozialen Normen zurückgeht. Der Galgenhumor ist demzufolge als Element einer Sondergruppe unter den Witzen zu betrachten, weil er trotz der fragwürdigen, nicht selten den Menschen verachtenden Inhalte, Motive und Szenen doch den Rezipienten zum Lachen bringen soll und es auch tut.
Es stellt sich heraus, dass der Humor von heute mit dem von Millowitsch präsentierten wohl doch gleichzusetzen wäre. Schwarzer Humor an sich, auch sick humour genannt, bietet dem Rezipienten alles woanders Verschwiegene bzw. Verbotene an, das im Zerrspiegel auf eine übertriebene Art und Weise dargestellt wird.
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