Acta Universitatis Lodziensis. Folia Germanica, 16, 2022
https://doi.org/10.18778/1427-9665.16.05

Małgorzata Żytyńska*

SYNTAGMA IN DER AUSSPRACHESCHULUNG – PROSODISCHE EINHEITEN VS. SYNTAKTISCHE PHRASEN


SYNTAGMA IN PRONUNCIATION TRAINING – PROSODIC UNITS VS. SYNTACTIC PHRASES


(Summary)

The article deals with the prosodic competence of learners of German, and more precisely with prosodic units. It is not always easy for learners to correctly determine these units and consequently to set correct sentence accents. Lack of correspondence between prosodic and syntactic units leads sometimes to prosodic errors. The article tries to analyze these discrepancies between prosodic units and syntactic phrases in order to determine certain regularities.

Keywords: pronunciation, prosodic competence, prosodic units, phrasal stress.


1. Einleitendes

Ohne Zweifel ist die Relevanz der Prosodie in der Kommunikation, und zwar sowohl bei der perzeptiven Beschäftigung mit der Sprache – Dekodierphase (vgl. Cosentino 2015; Schröder, Höhle 2011) wie auch bei der Sprachproduktion (Enkodierphase) nicht zu widerlegen – gemeint wird in diesem Beitrag vornehmlich die Lautsprache, aber dies betrifft ebenso gut stilles Lesen oder Schreiben o.a. (vgl. Cosentino 2015; Schröder, Höhle 2011; Chafe 1988; Fodors 2002; auch Trockenbrodt 2016; Kuhn, Schwanenflugel und Meisinger 2010; Groen, Veenendaal und Verhoeven 2019). Umso wichtiger scheint die prosodische Kompetenz eben im Bereich des Fremdsprachenerwerbs zu sein (Grzeszczakowska 2007; 2010; Vorderwülbecke 1992; Mehlhorn, Trouvain 2007; Górka 2004; Cosentino 2015), zumal die Abweichungen im suprasegmentalen Bereich mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Kommunikation verbunden sind, sie können nämlich in der Verständigungsstörung oder sogar in dem Kommunikationsabbruch resultieren. Außerdem führen Veränderungen im Rhythmus, in der Segmentierung und Akzentuierung auch oft zu Perzeptionsstörungen, da sie Verständnisprobleme nach sich ziehen (vgl. dazu Hirschfeld 1995, S.177).[1] „Vor allem eben Wort- und Satzakzentfehler „sorgen“ dafür, dass Äußerungen, die lautlich fast akzeptabel klingen, nicht verstanden werden“ (vgl. Górka 2004, S.407),

da suprasegmentale Abweichungen die Verständlichkeit stärker beeinträchtigen können als „Fehler“ im segmentalen Bereich (vgl. Anderson-Hsieh, Johnson & Koehler 1992) und Abweichungen in Wort- und Satzakzentuierung sowie in der melodischen Gestaltung von Äußerungen die Perzeptionsprozesse wesentlich erschweren (vgl. Hirschfeld 1991, S.1994), ist in den letzten Jahren immer wieder die Forderung nach einer prosodisch ausgerichteten Ausspracheschulung aufgestellt worden (vgl. Hirschfeld 2003b; Missaglia 1998, S.2001). (Mehlhorn, Trouvain 2007, S.2)

Innerhalb der phonetischen – phonologischen Kompetenzen sollte also die prosodische Kompetenz (expressis verbis Akzentuierung, Pausierung, Rhythmisierung, und Melodisierung) im Fokus stehen (vgl. Moyer 1999, S.100; Storch 1999, S.109). Zumal da:

Auf Grund von kontrastiven Analysen und auditiven Untersuchungen zwischen der Ausgangssprache Polnisch und der Zielsprache Deutsch […] drei große Spannungsfelder empirisch nachgewiesen worden [sind], und zwar: 1. hinsichtlich der Akzentmuster, 2. hinsichtlich der phonetischen (sprachspezifischen) Unterscheidung zwischen betonten und unbetonten Silben (Akzentuierungsmittel vs. Markierung von Unbetontheit) sowie 3. hinsichtlich der Vokalquantitätsverhältnisse. (Grzeszczakowska 2007, S.1)

2. Prosodie

„Prosodie ist in aller Munde. Das ist nicht nur einfach so dahin gesagt oder geschrieben. Eine sprachliche Äußerung ist ohne Prosodie kaum vorstellbar“ (Sallat 2011, S.129). Ebenso hat die Forschung der letzten Jahre die Prosodieverarbeitung wieder stärker in den Fokus genommen.

Jeder Mensch ergänzt und präzisiert den Inhalt seiner sprachlichen Äußerungen beispielsweise durch Konturverläufe, Pausen, Akzente und Variationen des Tempos. Auf diese Weise kann er seinen Kommunikationspartner noch besser erreichen und seine Sprecherintention verstärken. (ebda.)

Dank diesen prosodischen Maßnahmen (Pausierung, Akzentsetzung und Intonation), bei korrekter und deutlicher prosodischen Gliederung, haben die Zuhörer die Möglichkeit ungestört und mit Interesse lautsprachliche Informationen wahrzunehmen.

Verschluckte Satzenden, eine müde - verhaucht klingende Stimme, hastende Kurzatmigkeit und unbeweglicher Gesichtsausdruck bremsen nämlich die Zuwendung während des Partnergesprächs oder beim öffentlichen Vortrag. Darüber lässt die Aufmerksamkeit des Hörers nach, und er wird unruhig. Dieses entgleitende Zuhörerinteresse wiederum verunsichert den Sprecher. So kommt es zu einem Teufelskreis sprecherischen Misserfolgs. (vgl. Coblenzer 1987, S.7), (zit. nach Górka 2004, S.409) (vgl. auch Neuber 2006)

Unter Prosodie werden diejenigen für die Lautsprache spezifischen Eigenschaften von Äußerungen verstanden, die über die Betrachtungsebene eines einzelnen Segments – eines Einzellautes hinausgehen, also „suprasegmental“ sind (vgl. Mehlhorn, Trouvain 2007, u.v.m.). Prosodie ist daher ein Komplexphänomen, das Intonation (Tonhöhenverlauf von Äußerungen), Veränderungen in der Lautstärke (Stimmintensität – Lautheit) auch Sprechspannung, Stimmdruck und Stimmklang (vgl Gensel 2020, S.94; Moroni, Graffmann, Vorderwülbecke 2010, S.24 ) mit einbezogen umfasst, wie auch zeitliche Dauer (z. B. von einzelnen Silben, Phrasen oder Pausen) also Dehnung der Vokale bzw. der vor kurzen ungespannten Vokalen stehenden Konsonanten einschließlich Pausen und Sprechgeschwindigkeit (ebda.). Mit Pausierung, Akzentuierung (also Tonhöhenbewegung, Stimmstärke- und Tempoveränderung, welche der Äußerung einen kennzeichnenden Rhythmus verschaffen) wird Phrasierung vollzogen, d.h. die Äußerung wird in phonologische Phrasen – prosodische Einheiten gegliedert, bei denen jeweils ein hörbarer Akzentton und Grenzmarkierung (Grenzton) zu verzeichnen sind.

2.1. Prosodische Merkmale und ihre Relevanz

Prosodie ist das klangprägende Merkmal der Sprache und umfasst auditiv wahrnehmbare Merkmale wie Melodie, Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit, Pausen sowie Akzent, Sprechrhythmus und Stimmklang (vgl. Neuber 2002, S 51f.; Moroni, Graffmann, Vorderwülbecke 2010, S.24; Duden 2005, 1206; auch Zifonun, Hoffmann, Strecker 1997), die häufig in Wechselwirkung mit der segmentalen Ebene stehen, die freilich meist in Kombination auftreten und so Phrasierung, Akzentuierung und Rhythmisierung der Lautsprache kennzeichnen, welche gerade als prosodische Merkmale hingestellt werden (vgl. Gensel 2020).

Dem Tonhöhenverlauf wird meist eine dominante perzeptive Funktion eingeräumt. Das physikalische Korrelat der Tonhöhe ist die Grundfrequenz F0 der stimmhaften Abschnitte des akustischen Sprachsignals, die den Zeitverlauf des periodischen Schließens der schwingenden Stimmlippen widerspiegelt (Pompino-Marschall 2003, S.234). Die Funktionen, die durch prosodische Merkmale im Deutschen erfüllt werden können, sind vielschichtig und vielfältig (vgl. Górka 2004). Sie sind entscheidend an der Strukturierung einer Äußerung beteiligt, gliedern den Informationsfluss, heben Sinnwichtiges hervor und markieren das Informationszentrum des Satzes. Sie helfen des Weiteren, Informationen zu disambiguieren, stellen Kohärenz her, steuern den Diskursverlauf, unterstützen die Reanalyse, charakterisieren Satzarten und kennzeichnen den Erregungszustand des Sprechers. Eine knappe und dabei umfassende Darstellung bieten Prieto und Esteve-Gibert (2018, S.1):“We use it [prosody] to separate our speech into chunks of information […]. Secondly, prosody plays akey pragmatic role in conversation […] from the type of speech act […], information status […], belief status […], politeness, and affective states, to indexical functions such as gender, age, and the socio-lectal and dialectal status of the speaker […]. Finally, in many languages of the world, prosody can also encode phonological contrasts at the lexical level through stress or tonal marking” (ebda., S.1). Die prosodische Gestaltung einer Äußerung hat also starke Auswirkungen darauf, wie der Hörer die Mitteilung interpretiert (vgl. Grzeszczakowska 2016; Graffmann 2007). Eine zusammenfassende Übersicht über die Funktionen der Prosodie liefern Hirschfeld und Reinke (2018, S.58).

Abb.1. Reinke, Hirschfeld 2018, S.58

2.2. Prosodische Kompetenz

Die Spracherwerbsforschung der letzten 2 Jahrzehnte hat gezeigt, dass Kinder lange bevor sie die ersten Wörter und Sätze sprechen[2], bereits über weitreichende rezeptive sprachliche Fähigkeiten verfügen. Insbesondere prosodische Informationen wie Tonhöhenverlauf, Sprachrhythmus, Betonung und Sprechpausen werden von Kindern im ersten halben Lebensjahr differenziert wahrgenommen und helfen bei der Segmentierung des Lautstroms in linguistisch relevante Einheiten, d.h. bei der frühkindlichem Spracherwerb geht Erkennung und Aneignung prosodischer Merkmale mit der grammatischen Struktur einher[3] – dies wird als das prosodische Bootstrapping bezeichnet (Schröder, Höhle 2011, S.92).

Hierbei wird davon ausgegangen, dass Kinder anhand prosodischer Hinweise im Sprachsignal Wissen über die zugrundeliegende grammatische Struktur einer Äußerung ableiten können. Grundlage hierfür ist die Prosodie-Syntax-Schnittstelle, d. h. die Korrelation von prosodischen Einheiten (z. B.Intonationsphrasen, phonologische Phrasen) mit syntaktischen Einheiten (Sätze, Phrasen, Wörter). Eine weitere Grundlage für das prosodische Bootstrapping ist die kindliche Sensitivität für syntaktisch relevante prosodische Informationen. (ebda.)

Laut den angeführten Studien vermögen Kinder im Alter von 6 Monaten anhand prosodischer Grenzmarkierungen syntaktische Einheiten aus gesprochener Sprache herauszufiltern (vgl. Schröder, Höhle 2011, S.96).

Da die prosodische Kompetenz bereits in der vorgeburtlichen Phase entwickelt wird und auch differenzierte prosodische Wahrnehmung sehr früh ausgebildet wird, so dass die prosodische Verarbeitung bereits im ersten Lebensjahr recht elaboriert ist, scheint die Prosodievermittlung bei der Ausspracheschulung innerhalb der fremdsprachlichen Bildung erwartungsgemäß äußerst mühevoll vorzugehen. Auf der anderen Seite kommt diese Kompetenz grundlegend für andere Sprachfertigkeiten und Fähigkeiten vor. Als Beispiel könnte hier Vorlesekompetenz angeführt werden, und gar das Leseverstehen, welches sich unter anderem eben auch auf prosodische Kompetenz stützt. (vgl. Cosentino 2015, S.329). „Wir lesen mit den Ohren“, ist Tomatis (1987, S.27) nachzusprechen.

Prosodische Kompetenz ist somit die Fertigkeit, prosodische Strukturen angemessen zu erkennen und dementsprechend anzuwenden, und umfasst prosodische Segmentierung, Prominenzmarkierung und prosodische Grenzmarkierung mit anderen Termini phonetische Phrasierung, Pausierung, Rhythmisierung, Akzentuierung und Melodisierung (d.h. Verteilung von Tonakzenten – Akzenttönen) und Grenztönen (vgl. Grice, Baumann 2016; Truckenbrodt 2016; Moroni, Graffmann, Vorderwülbecke 2010) wie auch Setzung des Hauptakzentes in der Intonationsphrase (im Satz) (vgl. Truckenbrodt 2016; Moroni, Graffmann, Vorderwülbecke 2010).

3. Prosodische Struktur – prosodische Einheiten (genannt auch: Intonationseinheiten, prosodische Phrasen, phonologische Phrasen, Akzentphrasen) vs. Intonationsphrasen (vgl. Truckenbrodt 2016)

Prosodische Struktur ist die Gesamtheit von prosodischen Einheiten innerhalb einer Äußerung, die hierarchisch aufgebaut ist, je nach Ebene von dem phonologischen Wort bis zu der Phrase und Phrasenverschmelzung – schließlich zur vollständigen Äußerung.

Prosodische Einheit (auch: prosodische Phrase, phonologische Phrase, Intonationseinheit) gilt somit in der Linguistik als ein Sprachsegment, das mit einer einzelnen prosodischen Kontur auftritt, welche durch Tonhöhen- (vgl. Grice, Baumann 2016; Vorschläge für ein deutsches Toninventar (GToBI) Grice/Baumann 2002; Grice, Baumann, Benzmuller 2005; Grice, Baumann, Jagdfeld 2009) und Rhythmuskontur (vgl. Grzeszczakowska 2007, 2010 und u.a. Benkwitz 2004, S.37; Bose 1995a, S.18; Pompino-Marschall 2003, S.236; Dauer 1987, S.447; Loots 1987, S.465; Stock 1996, S.68; Stock & Hirschfeld 1996b, S.204) gekennzeichnet wird.

Für die Beschreibung linguistischer Kontraste innerhalb einer prosodischen Phrase werden zwei Klassen tonaler Kategorien differenziert, und zwar „Töne, die die Ränder von prosodischen Einheiten markieren (Grenztöne) und Töne, die bestimmte Elemente hervorheben, die für die Botschaft einer Äußerung wichtig sind (Tonakzente)“ (Grice, Baumann 2016, S.85)

Diese beiden Tontypen spiegeln zwei Hauptgrundsätze der Prosodie wider, also Prominenzmarkierung (die linguistisch und perzeptiv relevante Hervorhebung eines Abschnittes des Sprachsignals) und Abgrenzung bzw. Phrasierung (auch mit Pausierung und Rhythmisierung assoziiert). Mit tiefen (L) oder hohen (H) Tönen in den Akzentsilben (=Akzenttönen auch Tonakzenten, bei Moroni, Graffmann, Vorderwülbecke (2010, S.25) als Haupt/und Nebenakzente hingestellt) werden also die inhaltlich wichtigsten Silben hervorgehoben, wobei außer dem Melodieanstieg bzw. dem fallenden Ton meist auch ansteigende Dynamik und gegebenenfalls das verlangsamte Tempo zu verzeichnen sind (vgl. Grice, Baumann 2016; Grice, Baumann 2002; Grice, Baumann, Benzmuller 2005; Grice, Baumann, Jagdfeld 2009; Truckenbrodt 2016; Grice, Ladd, Arvaniti 2000; Pierrehumbert 1980 und Beckman, Pierrehumbert 1986; neuere Zusammenfassungen Gussenhoven 2004 und Ladd 2008; frühe Arbeiten zum Deutschen Uhmann 1991 und Féry 1993). Die finalen Grenzen der prosodischen pränuklearen Einheiten (Grice, Baumann 2016, S.88f, 93) werden generell durch progrediente Melodie markiert, die eben für Grenztöne der prosodischen Einheiten (phonologischer Phrasen oder Akzentphrasen bei Truckenbrodt (2016, S.105, 108)) charakteristisch ist.

Sehr wichtig kommt dabei die von Grice, Baumann (2016, S.85) als hybrid erfasste Kategorie, welche beide funktionalen Aspekte der prosodischen Einheit verkörpert, d.h. den prominenzverleihenden und den abgrenzenden Aspekt – die Rede ist hier vom Phrasenakzent (phrase accent) (Grice, Baumann 2016, S.91; vgl. auch Truckenbrodt 2016).

Bei Moroni, Graffmann, Vorderwülbecke (2010, S.31–34) erscheinen in Bezug auf phonologische Phrasen Begriffe rhythmische Einheiten (und eigentlich melodisch-rhythmische Einheiten) und Akzentrgruppen, außerdem werden diesbezüglich auch Bezeichnungen Takt (Zifonun, Hoffmann, Strecker 1997, S.215) oder Rhythmusmuster Stock/Hirschfeld (1996, S.33) gebraucht.

Prosodische Einheiten (samt Prominenzen und Grenzsignalen) demonstrieren sich folglich jeweils durch prosodische Parameter, also durch physikalische Eigenschaften, die diese phonologischen Einheiten – prosodische Phrasen erkennen lassen, das sind: Tonhöhe, Länge und Lautstärke.

3.1. Prominenzmarkierung durch Tonakzente

Prosodische Prominenz wird meist bezogen auf konkrete Hervorhebungen (meist von Silben) auf der Äußerungsebene behandelt, wobei es hauptsächlich um die Verteilung und Realisierung von Tonakzenten (pitch accents) geht. Hier werden aber auch alle möglichen Betonungssilben gemeint, also abstrakte Betonungsmuster (stress patterns) innerhalb von Wörtern, Phrasen und Äußerungen, die dann eventuell innerhalb der prosodischen Phrase als Druckakzente (stresses) realisiert werden können. (Ton-)Akzentuierte Silben manifestieren sich im Vergleich zu den unakzentuierten vornehmlich durch eine lokale Tonhöhenbewegung, aber auch durch unreduzierte Vokale, größere Intensität (größere Stimmstärke) und größere Dauer (Dehnung des jeweiligen Vokals bzw. des vorangehenden Konsonanten). Das Schaubild in (2) zeigt fünf Prominenzstufen (angelehnt an Terken, Hermes 2000, S.101) und ihre primären akustischen Unterscheidungsmerkmale.

Abb. 2. Prominenzstufen nach Grice, Baumann (2016, S.88) (angelehnt an Terken, Hermes 2000, S.101)
Für das Deutsche wird Prominenz auf lexikalischer Ebene (auch: Wortebene) als Betonung bezeichnet, auf postlexikalischer Ebene (auch: Äußerungsebene) wird der Begriff der Akzentuierung verwendet (vor allem in der deutschsprachigen Literatur zur Intonation wird allerdings oft der Begriff Wortakzent für Hervorhebungen auf Wortebene verwendet). (Grice, Baumann 2016, S.88)
Abb. 3. Osyillogramm, Grundfrequenzverlauf und Annotationsebenen der Äußerung eine gelbe Banane einer weiblichen Sprecherin in Praat (Grice, Baumann 2016, S.90)

3.2. Phrasierung durch Grenztöne

Wie bereits dargestellt, liegt der Kommunikation in der Lautsprache (dennoch nicht ausschließlich) eine bestimmte prosodische Struktur zugrunde, die eben in der Gliederung der Äußerung in kleinere prosodische Einheiten – Intonationseinheiten besteht, die jeweils voneinander durch Pausen abgegrenzt werden. Längere Pausen bedeuten besser wahrgenommene Grenzen, bei kürzeren oder gar im Sprechfluß unauffälligen Pausen werden die Grenzen ohnehin durch den Grenzton markiert, auch durch andere Parameter, etwa durch phrasenfinale Längung der Silben und durch nachlassende Lautstärke. Bei pränuklearen Akzenttönen wird der finale Grenzton meist durch progredienten Tonverlauf markiert, bei nuklearem Tonakzent hat man dann je nach Absicht und Sprechintention drei Möglichkeiten der finalen Tonhöhenbewegung. (vgl. Schramm, Schmidt 1980, S.26–30; Rausch, Rausch 2000, S.130–141; auch Grice, Baumann 2016, S.90f. und 97)

Die folgenden Beispiele (nach Grice, Baumann 2016, S.90f. angeführt) demonstrieren die Relevanz der finalen Grenztöne und Pausen zur Abgrenzung prosodischer Einheiten auf der phrasalen Ebene (Äußerungsebene) – bei allen Wörtern (Intonationseinheiten zugleich) im Beispiel (1)[4], gegenüber mangelnder Pausierung und Grenzmarkierung auf der lexikalischen Ebene im Wort Computertastatur im Beispiel (2).[5]

Abb. 4. Beispiele nach Grice, Baumann 2016, S.91

Innerhalb von prosodischen Einheiten (phonologischen Phrasen) erscheinen auch Prominenzen ohne tonale Eigenschaft, und zwar sog. Druckakzente (stresses). Druckakzentuierte Silben sind nämlich auf auditiver Ebene durch größere Lautstärke und eventuelle Dehnung zu erkennen und liegen auf lexikalisch betonten Silben sowohl in der prä- als auch postnuklearen Position.

Druckakzente werden als keine vollwertigen Akzente eingestuft, denn sie werden nicht durch eine distinktive Tonveränderung ausgedrückt. (ebda., S.92) Eine klare Übersicht über die jeweiligen Begriffe (Phrasenakzent, Phrasenton und Druckakzent) liefern Grice und Baumann (2016, S.92).

Abb. 5. Auslegungen der Begriffe Phrasenakzent, Phrasenton und Druckakzent nach Grice, Baumann (2016, S.92)

Prosodische Konstituenten (hier: phonologische Phrase und Intonationsphrase) und die daran gebundene Betonung in der Analyse der Lautsprache setzen sich also auf die bereits angesprochene prosodische Struktur zusammen.

Als zwei wichtige Konstituenten der prosodischen Struktur gelten also phonologische Phrase und Intonationsphrase (Truckenbrodt 2016, S.115f.). Innerhalb von phonologischen Phrasen werden jeweils Wortakzente gesetzt (Primärakzent – die stärkste Betonung und eventuell Sekundärakzente – Nebenakzente – alle Akzente liegen innerhalb der sog. prosodischen Wörter, unbetonte Funktionswörter sind in der Regel keine prosodischen Wörter).

Als prosodische Wörter werden also Wörter verstanden, innerhalb von denen jeweils Phrasenakzente (bei Grice/Baumann 2016; bei Truckenbrodt 2016 Akzenttöne – Tonakzente) liegen, ausgenommen von dieser Gruppe sind ersichtlich Proklitika und Enklitika (Grzeszczakowska 2010, S.83–85). Prosodische Wörter tragen die sog. Phrasenakzente innerhalb von phonologischen Phrasen, deren Grenzen jeweils durch sog. Grenztöne – prosodische Grenzen markiert werden, Phrasenakzente werden dann je nach der inhaltlichen Relevanz – nach dem kommunikativen Wert mit der entsprechenden Intonation ( mit Tonerhöhung oder Tonvertiefung markiert), wodurch die sog. Intonationsphrasen gebildet werden.

Zusammenfassend muss konstatiert werden, dass nicht alle Phrasenakzente mit der Tonveränderung (Tonerhöhung) markiert werden (vgl. Grice, Baumann 2016; Truckenbrodt 2016).

Nicht alle Akzente der phonologischen Phrase werden folgerichtig gleich realisiert, d.h. nicht alle hängen mit den tonalen Veränderungen zusammen, wenigstens nicht mit großen Tonveränderungen, daher betrifft die zweite Ebene bei Truckenbrodt (Intonationsphrase), bei der die tonale Prominenzmarkierung bestimmter Wörter erfolgt, die Satzakzente. (vgl Truckenbrodt 2016).

Abb. 6. Gegenüberstellung von prosodischen Wörtern, phonologischen Phrasen und Intonationsphrasen am Beispiel des Satzes: Der Lukas hat am Samstag zwei Tore geschossen. (vgl. Bußmann 1990, S.746).

Was den Beispielen zu entnehmen ist, werden prosodische Phrasen im Sinne phonologische Phrasen gebraucht, Intionationsphrasen gelten in der Literatur generell als maximal große Phrasen (satzartige Syntagmen) mit Ausspruchsakzentuierung, und zwar mit dem wichtigsten Satzakzent. Satzakzent auch Äußerungsakzent, Satzkern, Hauptakzent, Hochakzent u.a. (vgl. Moroni, Graffmann, Vorderwülbecke 2010, S.29).

4. Syntagmen – syntaktische Phrasen – Phrasenbegriff

4.1. Syntagma

Die Bezeichnung Syntagma stammt aus dem griechischen Wort σύνταγμα syntagma und bedeutet so viel wie Zusammengesetztes oder Verfassung. In der Sprachwissenschaft werden mit diesem Begriff Gruppen zusammenhängender sprachlicher Elemente in einer konkreten Äußerung signifiziert, angefangen mit den kleinsten Verbindungen von Sprachzeichen geschriebener oder gesprochener Sprache (von Lauten oder Buchstaben) also Silbe bzw. Morphem, über Wörter (Simplizia, Derivate und Komposita), über Phrasen (kleinere oder größere Wortgruppen) bis zu Klauseln und zu den größten syntagmatischen Einheiten in der Grammatik, zu den Sätzen (Bussman 1990, S.765; vgl. auch Bogdal 2008, S.41).

In der Linguistik wurde der Ausdruck Syntagma von Ferdinand de Saussure eingeführt und versteht sich als eine Kette von Elementen (Sprachzeichen) in einer vorliegenden Äußerung (vgl. Kjørup 2009, S.24), als durch Segmentierung gewonnene strukturierte, aber noch unklassifizierte Folge von sprachlichen Ausdrücken (Bussman 1990, S.765). Grundlegend kommt hier eben syntaktische Zusammengehörigkeit dieser Elemente vor (Kessel, Reimann 2005, S.29), lineare Abfolge sei dabei aber keine unabdingbare Voraussetzung (ebda. und Bogdal 2008, S.41), wenngleich die Elemente in der Regel nebeneinander stehen.

Syntagma als Verkettung von Ausdrücken auf der horizontalen Ebene ist einer der Saussureschen dichotomischen Begriffe. Als sein „Gegenpol“ besteht das Wort Paradigma und bezeichnet die auf vertikaler Ebene für einzelne Segmenten austauschbaren Ausdrücke derselben (Wort-)Kategorie (Bussman 1990, S.555). Im Syntagma werden Elemente kombiniert, im Paradigma gegenübergestellt –durch andere ersetzt, was feststellen lässt: Paradigmen und Syntagmen bilden die Strukturmuster der Sprache und syntagmatische und paradigmatische Beziehungen definieren und durchdringen alle sprachlichen Strukturen.

In diesem Beitrag wird das phrasenartige Syntagma in den Fokus gerückt, um dann die Relationen (Parallelen und Divergenzen) zwischen phonologischen und syntaktischen Phrasen zu konstatieren. Prosodische und syntaktische Einheiten scheinen nämlich manchmal auseinanderzugehen.

4.2. Syntaktische Phrase

Der Phrasenbegriff leitet sich aus der Konstituentenstrukturgrammatik (Phrasenstrukturgrammatik) des amerikanischen Strukturalismus her (Bloomfield, Fries) und der sog. I(mmediate)-C(onstituence)-Analyse[6] (Wells 1947; Gleason 1961; Harris 1946) und versteht sich als „Bezeichnung für eine Menge von syntaktischen Elementen, die eine Konstituente (Wortgruppe oder Satzteil[7] von relativer Selbständigkeit bilden“ (Bussman 1990, S.585). Im Falle der Dependenzgrammatik wird der Phrasenbegriff lediglich in Bezug auf Einheiten gebraucht, die aus mehr als einem Wort bestehen. (vgl. Tesniere 1959; Heringer 1996; Agel 2003)

„Phrasen sind Wortgruppen, deren Elemente syntaktisch und semantisch funktional zusammengehören, eine Einheit bilden und bestimmten syntaktischen Regeln folgen“[8] (vgl. auch Duden 2005, S.777–782). Dabei zeichnen sich folgende phrasenspezifische Merkmale aus (ebda.):

Als Exempel für hierarchischen Aufbau von Phrasen, wo größere Phrasen jeweils kleinere Phrasen involvieren können, wird folgende Strukturanalyse dargestellt:

Abb. 7. Komplexe Phrasenstruktur vom Satz: Viele fortgeschrittene Lerner gebrauchen häufig die durch allerlei nähere Bestimmungen erweiterten adjektivischen Attribute. (vgl. Bußmann 1990, S.746).

Je nach der Perspektive können manchen Phrasen verschiedene Bezeichnungen verliehen werden, z. B. hinsichtlich der Verschiebbarkeit – Permutationsmöglichkeit kann die jeweilige Phrase als Satzglied bzw. als Gliedteil eingestuft werden, je nach Obliegenheit für die Korrektheit des Satzes oder nach dem eventuellen Einbezug in den Stellenplan des logischen Prädikats kann die jeweilige Wortgruppe als Ergänzung oder als Angabe betrachtet werden, je nach syntaktischer Funktion benennt man die Phrasen als Subjekt, Objekt, Prädikat, Prädikativ, Adverbial etc.

Man kann auch die jeweiligen Phrasen je nach dem Kern, dem Kopf, nach den grammatischen Merkmalen wie Wortart und Kasus benennen, und so falls das Nomen Kern der Phrase ist, spricht man von einer Nominalphrase (auf den Kasus bezogen über NP im Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ), analog auch von Adjektivphrase, Adverbphrase, Präpositionalphrase, Konjunktionalphrase etc.

Nach Duden werden Phrasenarten in sieben Gruppen eingeteilt (Duden 2005, S.806). Es sind: Nominalphrasen, Artikelphrasen, Adjektivphrasen, Adverbphrasen, Präpositionalphrasen, Konjunktionalphrase und Verbalphrase). Sehr eingehend ist der Phrasenbegriff von den Mitarbeitern des Instituts für Deutsche Sprache Mannheim bearbeitet worden[10], und zwar mit dem kontrastiven Anteil in mehreren Sprachen.

Bei Truckenbrodt (2016; vgl. auch 2006) erscheinen allerdings bei der Betrachtung einiger syntaktischer Phrasen (nach Abney, Bech, Wurmbrand) gravierende Unterschiede im Vergleich zu der traditionellen Grammatik, zu der ursprünglichen strukturalistischen Konstituentenstruktur (Bloomfield 1933; Fries 1946, 1969; Gleason 1961; Harris 1946; Hocket 1958; Chatman 1955; Chomsky 1957 und Nida 1960; Mel’ĉuk 1988, S.13; Erben 1972) wie auch zu vielen Dependenzgrammatiken (Herringer 1996; Heringer 1980; Mel’ĉuk 1988; Weber 1992; vgl. auch Żytyńska 2008)

In der Syntax projiziert jedes Wort eine syntaktische Phrase (XP): Nomen projizieren eine NP (Nominalphrase), Verben eine VP (Verbalphrase), etc. Das Wort, das die Phrase projiziert, ist der syntaktische Kopf der Phrase. Außer dem Kopf können noch XPs in der Projektion stehen: Dies sind von lexikalischen Eigenschaften des Kopfes abhängige Elemente, insbesondere auch lexikalisch vom Kopf selegierte Elemente. (Truckenbrodt 2016, S.110f.)
Andere Fälle sind abstrakter. So wird seit Abney (1987) eine Wortart D (engl. determiner) angenommen, die Pronomen und Artikel umfasst. Artikel wie die, diese selegieren als lexikalische Eigenschaft eine NP, im Gegensatz zu Pronomen wie er, sie, es, die keine NP selegieren. Entsprechend ist die NP von lexikalischen Eigenschaften des D-Elements abhängig und Teil dessen Projektion DP: [DP sie], [DP ein [NP Buch]] und [DP der [NP Freund [PP von [NP Maria]]]. – Bei einer Kombination aus Hauptverb und Hilfsverb ist die infinite Form des Hauptverbs vom Hilfsverb selegiert (Bech 1955, 1957), so dass plausibel ist, dass die VP des Hauptverbs in der VP des Hilfsverbs steht (Wurmbrand 1998): [VP1 [VP2 [ein Buch] gelesen2] haben1]. Ähnlich bei anderen Kombinationen von Verben, beispielsweise [VP1 [VP2 [ein Buch] lesen2] wollen1]. (ebda., S.111)

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es folgende grundlegende Unterschiede bei der Auffassung von Phrasen gibt:

    (                         x      )(                  x         )P
(1) [während [eines [Vortrags]]] [VP [einen [Pullover]]stricken]
     (                  x    )(                    x     )(                     x    )P
(2) [DP Der [NP Wladimir]] will [PPin [NPPanama]] [VP[APjunge [NPLamas]] malen]
     (               x    )(                             x    )P
(3) [DP ein [NP Lama]] [PP mit [DP einem [NP Lama]]]
     (                                           x   )P
(4) [DP die [NP Freundin]] [PP von [NP Peter]]]
     (                    x           )P
(5) [VP [DP ein [NP Buch]] lesen]
     (                         x                     )P
(6) [VP [VP [DP ein [NP Buch]] lesen] wollen]
(7) [AP junge [NP Lamas]]

Wie abstrakt das auch aus grammatischer Sicht klingt, scheint das einigermaßen Übereinstimmung in die Beziehung zwischen prosodischen und syntaktischen Phrasen einzuführen, andererseits aber Unstimmigkeit in den Strukturbau der jeweiligen syntaktischen Phrasen, was zu grammatischen Fehlern führen kann (vgl. Żytyńska 2016), dies widerspricht nämlich vollauf der Regel der Subordiniertheit, nach der das dependente Glied – untergesetzte Glied selbständig im Syntagma nicht vorkommen kann.

Diese Übereinstimmung besteht darin, dass jeweils das dependente Glied den Betonungsschlag bekommt, d.h. der Phrasenakzent soll auf das Innerste der syntaktischen Phrase gelegt werden – „die innerste XP, die immer nur aus einem Wort besteht, trägt Betonung“ (Truckendrodt 2016, S.111). Z. B. (vgl. Truckendrodt 2016, S.111–114; vgl. auch Truckenbrodt 2006, S.575):

(8) [DP eine [NP Frau]] und [DP ein [ NP Kind]] oder
(9) [DP die [NP Freundin [PP von [NP Peter]]]
(10) [Der [Peter]] hat [[der [Schwester [des [Freundes [von [Maria]]]]]][eine [Rose]] geschenkt]

„Ineinander stehende XPs [syntaktische Phrasen] bilden eine P-Phrase [phonologische Phrase], deren Betonung in der innersten XP liegt. Nebeneinander stehende XPs bilden separate P-Phrasen (sofern sie nicht pronominal sind). Rechtsverstärkung in der I-Phrase [Intonationsphrase] leitet die Satzbetonung ab. Fokus kann diese Muster überschreiben. (Truckendrodt 2016, S.122)

5. Syntaktische Phrase vs. prosodische Phrase

Besonderheiten bei der Bestimmung der syntaktischen Phrasen bei Truckenbrodt (2006, 2016) (namentlich der Artikel- Adjektiv- und der Verbphrase) resultieren aus seiner Annahme, auch wenn das anderen Linguisten entnommen wurde (2016, S.111), dass die innerste (in der Hierarchie bei der Dependenzberücksichtigung – die unterste, dependente) syntaktische Phrase den Akzent erhält (ebda., S.111f., 122). Auf der anderen Seite gibt es Forscher, die in Anlehnung an die üblich angenommene Spezifizierung von Phrasenstrukturen, doch die Abweichungen bei deren prosodischen Widerspiegelung zugeben, wie beispielsweise Rausch, Rausch (2000, S.93–96), die bei der Betrachtung von Phrasen (Adjektiv-, Partizipial-, Nominal-, Präpositionalphrasen wie auch Infinitiv-, Relativ-, Partizipial- etc. -klauseln), welche die syntaktische Funktion der Attribute erfüllen (der Gliedteilsätze – in der Syntax evident dependenten Phrasen – in andere eingebetteten Phrasen, nach Truckenbrodt „inneren“ Phrasen), meist den Tonakzent der Phrase erhalten (im Falle der Nachstellung – Rechtsstellung des Attributs), sehr oft aber den Akzentton nicht tragen, und zwar bei der Vorderstellung – Linksstellung des Attributs (das meist im Falle von Adjektiv-, und Partizipialphrasen). Sie werden dafür aber oft – besonders bei längeren Lexemen nur mit leichtem Druckakzent realisiert. Die Schwankungen bei der Relevanz syntaktischen Kernes und des prosodischen Betonungsschlags innerhalb von abgesonderten Phrasen (syntaktischen oder prosodischen – sehr oft stimmen die Phrasengrenzen überein) bestehen nicht als die einzige Frage. Problematisch erscheint nämlich oft gerade selbst die Abgrenzung von prosodischen Phrasen mit dem initialen und finalen Grenzton, vornehmlich in Fällen, wo keine Übereinstimmung mit der syntaktischen Phraseneinteilung verzeichnet werden kann. Das betrifft hauptsächlich die Proklikti­ka (vorangehende Synsemantika) und Enkliktika (nachstehende Synsemantika) (vgl.Grzeszczakowska 2010, S.82–85). Z. B.

[12]
[11]

An diesen Beispielen sieht man klar, dass nur im ersten Satz bei der Topic syntaktische Phrase und prosodische übereinstimmen, so liegt der Akzentton auf dem Kern der syntaktischen Phrase. In den restlichen Beispielen, aufgrund der syntaktischen Pronominalphrase, die phonologisch als Synsemantikum (Funktionswort) (vgl. Grzeszczakowska 2010, S.82; auch Stock 1996, S.53ff., etc.) –akzentloses Glied aus der Gruppe von Prokliktika, bekommt der Kern der Phrase keinen Phrasenakzent (Tonakzent) – die Grenze der prosodischen Einheit wird nach rechts verschoben, um einen geeigneten Phrasenakzentträger zu finden. Im Falle von Verben wird das meist aber ein leichter Druckakzent (mit ein wenig verstärkter Lautheit).

Daraus lässt sich zweierlei Schlussfolgerung ziehen, erstens um prosodische Phrasen (Akzentphrasen) zu ermitteln, muss man manchmal über die einzelnen syntaktischen Phrasen hinwegsehen, zweitens soll außer Syntax auch die Schnittstelle mit Morphologie und Semantik bei der prosodischen Strukturierung mitberücksichtigt werden. Pronominalisierte syntaktische Phrasen verlieren ihre Phrasenposition in der prosodischen Struktur (bekommen keinen Akzent, nicht einmal einen Druckakzent).

6. Fazit

Bei der Gegenüberstellung prosodischer und syntaktischer Einheiten zeichnen sich einige Gesetzmäßigkeiten aus: (1) bei syntaktischen Phrasen geht es immer um Regentien – Wortformen, die auf der morphosyntaktischen Ebene andere zusammengehörende Wortformen dominieren, ohne welche die jeweiligen dominierten – dependenten Elemente selbständig nicht vorkommen können – wenn schon, dann ungrammatisch erscheinen und (2) bei prosodischen Phrasen geht es vielmehr um inhaltlich vollständige Wörter (Autosemantika), die hohen inhaltlichen Gehalt aufweisen, was für die lautsprachliche Kommunikation eben besonders wichtig erscheint, an welche sich wiederum die inhaltlich weniger relevanten Wörter anschließen (wie Prokliktika und Enkliktika). Dadurch werden Phrasengrenzen in syntaktischen und prosodischen Phrasen in manchen Fällen unterschiedlich, generell spiegelt aber die Prosodie im großen Maße die syntaktische Struktur von Äußerungen wider, und eigentlich baut auf dieser auf, lässt lediglich einige Modifikationen zu. (3) Es kommen oft bei der lautsprachlichen Kommunikation zusätzliche Faktoren ins Spiel, wie Kontext, Absicht, Emotion, Individualität des Sprechers, die ohne Weiteres Prosodie der Äußerung beeinflussen und verändern können.



* Małgorzata Żytyńska, Dr., Universität Łódź, Institut für Germanische Philologie, Pomorska 171/173, 90-236 Łódź. E-Mail: malgorzata.zytynska@uni.lodz.pl




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Fußnoten

  1. „Hirschfeld wies die enorme Relevanz von Wort- und Satzakzent in einer Perzeptionsstudie nach. Der Satz Es ‚regnet. wurde deutschen Hörer*innen mit einem falschen Akzentmuster vorgespielt (Es reg‘net.). Die hörerseitige Rezeption ist durch das Streben, dem Wahrgenommenen Sinnhaftigkeit zu entnehmen bzw. zu verleihen, gekennzeichnet und das Gehörte kann dafür Korrekturprozessen unterzogen werden. Nur 48,8% der Proband*innen haben in Hirschfelds Studie den Satz Es ‚regnet. erkannt, waren also in der Lage, als Korrekturleistung den Wortakzent zu variieren. Gut die Hälfte hingegen gab an, Sätze wie Ist sehr nett. Geh ins Bett! Willst du mit? gehört zu haben, also vom Ausgangssatz stark abweichendes Sprachmaterial, dass jedoch die gleichen Akzentuierungsmuster aufweist (vgl. Hirschfeld 1995)“ (Gensel 2020, S.94).
  2. Bereits in der vorgeburtlichen Phase soll die prosodische Kompetenz in der Zielsprache, also in diesem Fall in der Muttersprache entwickelt werden, so dass bereits Neugeborene fähig sind, die im letzten Schwangerschaftsdrittel auditiv wahrgenommene Sprache von einer Fremdsprache zu unterscheiden. Informationen über die Prosodie der Muttersprache sollten nämlich schon vor der Geburt zur Verfügung stehen und es wird angenommen, dass das ungeborene Kind diese prosodischen Informationen auch wahrnehmen kann. (vgl. Schröder, Höhle 2011, S.92)
  3. Prosodische Grenzen stimmen nicht in allen, aber doch in sehr vielen Fällen mit syntaktischen Grenzen überein. (vgl. Schröder, Höhle 2011, S.94)
  4. „Dies wird mittels Pausen und hohen bzw. steigenden Grenztönen (jeweils am Ende von Computer und Tastatur) erreicht“ (ebda.).
  5. „Computertastatur und Bildschirm wird nur nach dem ersten Kompositum (und natürlich am Ende der Äußerung) eine Grenze realisiert. Die Äußerung wird hier durch einen Grenzton (plus finale Dehnung und Pause) auf -tastatur in zwei Einheiten gegliedert“ (ebda.).
  6. Mit der IC-Analyse wird ein gegebener Satz allmählig zerlegt, wobei gemeinhin in binären Schritten vorgegangen wird, sonach werden auf jeder Stufe mindestens zwei maximale Phrasen –Segmente auseinandergehalten. In ihre Bestandteile – Konstituenten werden zunächst komplexere sprachliche Einheiten aufgelöst, mit der obersten angesetzt – mit dem Satz, welchem seiner Sonderbarkeit halber die Bezeichnung Konstitut beigemessen wird. Daraufhin werden Komponente der auf der tieferen Ebene gewonnenen Einheiten ermittelt, welche wiederum in ihre unmittelbaren Elemente zerfallen, bis hin zu den kleinsten – nicht mehr zu zergliedernden Einheiten wie Wörter oder Morpheme, so dass die bei der Analyse abgesonderten ICs als „as independent of each other in their distribution as possible“ (Wells 1946, S.190) ergo „with maximum freedom of occurence“ (Gleason 1961, S.136) vorkommen (vgl. auch Harris 1946, S.161–183; Hocket 1958; Chatman 1955; Chomsky 1957 und Nida 1960).
  7. Im Unterschied zum Phrasenbegriff phrase, mit welchem Wortgruppen ohne finite Verbformen bezeichnet werden, wird in manchen Grammatiken die Bezeichnung Klausel clause bezogen auf syntaktische Konstruktionen mit finiter Verbform angewendet, wodurch diese clause in der grammatischen Hierarchie zwischen phrase und sentence steht. (Bussman 1990, S.585). Im Falle von Heringer (1996, S.210–235) kommt der Begriff Klausel in Bezug auf Teilsätze vor.
  8. https://grammis.ids-mannheim.de/kontrastive-grammatik/5759
  9. Dies stimmt allerdings für die Dependenzgrammatik kaum (sehr eingehende Informationen zu finiten und infiniten Verbalphrasen sind bei Herringer 1996 zu finden, aber auch bei Weber 1992 und vielen anderen Dependenzlern).
  10. https://grammis.ids-mannheim.de/kontrastive-grammatik/5626
  11. Bei der Analyse von Verbphrasen (den komplexesten Phrasen von allen) werden Kern der Phrase – das Verb, und alle anderen dazugehörenden Phrasen in der vorliegenden Betrachtung berücksichtigt. (Mehr zur Analyse von Verbphrasen in: Herringer 1996; Weber 1992; Duden 2005; Żytyńska 2008)
  12. „Die Anzahl der im konkreten Fall realisierten Akzente und damit AGn hängt vom Sprechstil ab. In normaler, Rudiger Sprechweise können mehr Akzente gesetzt werden als in schneller, oft emotionaler Sprechweise, in der z. B. zwei AGn in eine IP eingehen.“ (Moroni, Graffmann, Vorderwülbecke 2010, S.31)
    (21a) | du musst dich | beim nächsten mal | viel massiver | reinhängen |
    (21b) | du musst dich beim nächsten mal | viel massiver reinhängen | (ebd.)

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